Das Nest
»Und was ist der Preis?«
Froh, daß ihr erster Eindruck von ihm anscheinend der richtige gewesen war, antwortete Lindsay: »Der Preis lautet, ein wenig teilen. Ich bin eine Journalistin, die gut im Ermitteln ist. Wenn Sie mir etwas Unterstützung und Informationen zukommen lassen, servier’ ich Ihnen alles, was ich auftreibe.«
»Sie wollen gar nicht viel, wie?« beschwerte er sich.
»Ich biete Ihnen etwas an, das Sie anders nicht bekommen«, entgegnete Lindsay. Sie zweifelte zwar an der hundertprozentigen Durchführbarkeit ihrer Versprechungen, glaubte aber, ihn auch mit dem Rest noch bei Laune halten zu können. Auf die Art würde sie kriegen, was sie und die Frauen wollten.
Er musterte sie eingehend und schien zu einem Entschluß zu gelangen. »Können wir die offizielle Seite einmal vergessen?« begann er. Lindsay nickte. Seine darauffolgende Schilderung erweckte den Eindruck, er wolle ablenken. »Rupert Crabtree war ein einflußreicher Mann. Kannte die meisten Leute, die es sich in der Gegend wahrscheinlich zu kennen lohnt. Und zwar nicht nur oberflächlich, vom Biertrinken – er kannte sie gut genug, um sie um einen Gefallen zu bitten. Und jetzt, wo er tot ist, scheint die Zeit gekommen, die Gefälligkeiten zurückzufordern. Formal unterstehen die Burschen von der Kriminalpolizei, die auf lokaler Ebene ermitteln, meinen Anweisungen. Nur, die Kripo meidet den Fall wie die Pest. Dafür gibt es andere Abteilungen, die ihre Nase hereinstecken.
Unsere Telefonleitungen liefen ganz schön heiß. Ich sehe mich einem gewaltigen Druck gegenüber, Ihre Freundin zu verhaften. Sie werden das sicher verstehen. Aber ich bin altmodisch genug, an das Prinzip zu glauben, daß der Beweis vor der Verhaftung erbracht werden muß, und nicht umgekehrt. Und Letzteres wäre in dem Fall nicht sehr schwierig gewesen, wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können.
Zufällig glaube ich, daß sie ihn nicht umgebracht hat. Und ich habe keine Angst zuzugeben, daß ich Hilfe brauche, um das zu beweisen. Wie Sie wissen, habe ich dafür keine Tauschgeschäfte nötig. Die meisten Polizeibeamten wären mit etwas Zeit und gutem Willen dazu imstande. Aber ich habe keine Zeit. Es gibt Leute, die mir auf die Zehen steigen. Also überlegen wir, was wir alles für einen Geschäftsabschluß brauchen.«
Lindsay nickte. »Ich brauche Zugang zur Familie. Sie werden mich ihnen vorstellen müssen. Deuten Sie an, daß ich mehr bin als eine gewöhnliche Zeitungsreporterin. Daß ich an einer größeren Geschichte über die Kampagne in Brownlow arbeite, vielleicht für eine Zeitschrift, die ein Porträt von Crabtree veröffentlichen will – als eine Art würdigenden Nachruf.«
»Stimmt das?«
»Am späten Nachmittag wird es stimmen. Und betonen Sie, daß sie so das Pack vor ihrem Haus loswerden und den Belagerungszustand beenden können. Ich werde das Gespräch auf Band aufnehmen und es abschreiben. Sie bekommen freien Zugang zur Aufnahme und eine Kopie der Abschrift.«
»Versuchen Sie gerade, mir einzureden, es handle sich hier um ein Verbrechen im Familienkreis?«
»Das stimmt doch bei den meisten Morden, oder? Aber ich werde weiter völlig ahnungslos sein, wenn ich nicht mehr über sein Leben erfahre. Das heißt Familie, Freunde, Kollegen und die Friedensaktivistinnen, sie alle werden aufmachen müssen, wenn etwas herauskommen soll. Im Gegenzug biete ich Informationen aus erster Hand über jede Friedensaktivistin, mit der Sie reden wollen, wenn Sie mir ehrlich sagen, worum’s geht. Überall kann ich Ihnen natürlich nicht helfen, wenn es sich um etwas wirklich Wichtiges handelt, müssen Sie sich schon selber bemühen, aber das ist auf jeden Fall besser als eine Wand des Schweigens.«
»Ein solches Vorgehen ist völlig unorthodox. Ich kann doch eine Untersuchung nicht von den Launen der Medien abhängig machen.«
»Ohne meine Unterstützung finden Sie im Camp nichts als geschlossene Ablehnung. Und im übrigen kommen Sie mir nicht gerade besonders orthodox vor.«
Fast wäre ihm ein Lächeln entglitten. »Wann wollen Sie die Familie sehen?« fragte er.
»So bald wie möglich. Das wird sie auch von den hartnäckigsten Presseleuten erlösen. Sie werden meinen Kollegen beim Hauseingang sagen, daß die Familie den ausdrücklichen Wunsch geäußert hat, mit einem Mitarbeiter des Clarion zu sprechen, oder Sie werden einen Haufen Unannehmlichkeiten erleben, auf die Sie sicher keine gesteigerte Lust verspüren.«
»Sind Sie
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