Das Netz der Schattenspiele
ganz kurz. Ich hatte richtige… du weißt schon.«
Salomon legte seinen Arm um sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Du willst sagen, dass du alles hattest, was Männer gemeinhin an einem gut aussehenden Mädchen schätzen.«
»So ungefähr.«
»Nur ungefähr?«
»Ach, Paps! Du bist gemein. Ich… ich…«
»Du bist ein ziemlich hübsches Mädchen«, erklärte Salomon. In seiner Stimme lag alle Überzeugungskraft, die er nur aufbringen konnte. »Es ist also nur recht und billig, wenn dir das die Männer auch sagen. Aber lass dich davon nicht blenden, Sternchen. Schöne Komplimente können gefährlich sein.«
»Wenn du mir jetzt schonend beibringen willst, dass es Männer gibt, die einem Mädchen nur an die Wäsche wollen, dann…«
»Nein«, unterbrach Salomon seine Tochter. »Nein. Jedenfalls nicht nur.« Er verdrehte scherzhaft die Augen zum Himmel. »O wenn doch nur Viviane hier wäre! Solche Gespräche gehören eigentlich in ihr Ressort. Natürlich hast du Recht, Sternchen, und es ist gut, dass ich dir das nicht erst heute erklären muss. Was ich aber meinte, ist etwas ganz anderes.«
»Und das wäre?«
»Auch wenn du dich einmal über einen Pickel ärgerst oder wenn du meinst, dein T-Shirt könnte vorne… Na, du weißt schon. Darauf kommt es überhaupt nicht an. Jedenfalls nicht so sehr. Viel wichtiger ist, was du bist. In dir steckt so viel Gutes! Manchmal geht dein Temperament zwar mit dir durch, ab und an bist du unerträglich, aber gar nicht so tief in dir drin steckt ein guter Kern. Lass ihn strahlen, dann wird man dir das auch ansehen.«
»Du sprichst von mir wie von einem radioaktiven Brennstab.«
Salomon konnte nun sein Lachen nicht mehr zurückhalten.
»Jetzt bist du wieder die Alte. Glaub mir, wenn du mit dir selbst zufriedener bist, werden auch andere gut mit dir auskommen.«
Stella nickte bedächtig. »Ich verstehe, was du meinst.«
In diesem Moment stießen die drei anderen Cyberworm-Mitglieder wieder zu Vater und Tochter.
»Nach deinem Lachen zu urteilen, geht es Stella wieder besser«, sagte Agaf. Er hatte Salomon vor dem Spaziergang zu einem weniger förmlichen Umgangston ermuntert und dabei gleich auch die anderen beiden Mitglieder der verschworenen Gemeinschaft einbezogen.
»Ja, allerdings«, antwortete Salomon erleichtert. »Die Reise gestern hat sie zwar angestrengt, aber sie erholt sich gut davon.«
»Dann sollten wir jetzt besprechen, wie wir weiter vorgehen wollen. Kimiko und Benny haben heute schon über deinen ›Geheimausgang‹ einige Nachforschungen angestellt. Du kannst dir ja denken, wie schwer es ist, über ein geheimes NSA-Projekt etwas in Erfahrung zu bringen.«
»Zumindest haben wir in der vergangenen Nacht einen neuen Ansatzpunkt gefunden«, sagte Benny in seiner nüchternen Art.
Alle sahen ihn fragend an. Der dunkelhaarige Lockenkopf schob mit dem Mittelfinger seine Brille auf die Nasenwurzel zurück und zuckte verlegen mit den Schultern. »Nun ja, ich meine, wir müssen diesem Schemen aus Stellas Träumen auf die Spur kommen. Er hat uns eine wichtige Information über DiCampo übermittelt. Aus irgendeinem Grund will er sich nicht zu erkennen geben, aber er könnte einiges über das Intruder-Projekt und seinen Leiter wissen, Dinge, die für uns sehr wichtig sind. Vor allem für Stella! Überlegt doch einmal: So ziemlich das Erste, was er zu ihr sagte, war diese Warnung vor DiCampo. Ich glaube, wenn wir den Dunklen Lauscher finden und ihm einige Fragen stellen, dann werden wir auch die Wahrheit über den Italiener erfahren.«
Die meiste Zeit bewegten sich die Kalders in dem Bewusstsein durch ihr Quartier, abgehört zu werden. Sie mussten den verborgenen Ohren einfach das liefern, wofür Salomon den Begriff »normale Wohngeräusche«, kurz No-wo-ge, geprägt hatte.
Über Bau 203 war schon der Mond aufgegangen, als es an der Tür klopfte.
»Ich mach auf«, rief Stella. Salomon war gerade im Bad.
Wie verabredet standen Agaf, Kimiko und Benny auf dem Flur. Stella ließ sie sogleich ein.
»Wie steht’s mit den Nowoges?«, begrüßte der Afrikaner Salomon, der gerade aus dem Badezimmer kam.
»Das Täuschungsprogramm für die Wanzen ist aktiviert. Wir können frei reden. Unser stiller Zuhörer wird sich zu Tode langweilen, weil er nur alle Minute einmal das Umblättern einer Buchseite hört.«
»Vermutlich werdet ihr beide sehr in seiner Achtung steigen.« Kimiko lachte.
»Es geht nichts über eine gute Allgemeinbildung«, bemerkte Benny mit ernstem
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