Das Netz
er jetzt zu sagen hatte, nicht leicht fiel. »Ich habe vorhin von sechs Brücken gesprochen, die die Ziele der Terroristen seien. Leider werden wir nicht alle sechs retten können, weil der SAS nur fünf Geschosse für den neu entwickelten Granatwerfer hat, den er zum Einsatz bringen wird. Das bedeutet, dass wir eine Brücke opfern müssen. Und zwar die Albert Bridge.«
Alle starrten ihn wie entgeistert an, und Tweed selbst machte ein zutiefst betrübtes Gesicht. Paula holte tief Luft und stellte die Frage, die Tweed erwartet hatte.
»Und was ist mit den Menschen, die in der Nähe der Brücke leben? Am Cheyne Walk zum Beispiel? Die können wir doch keiner solchen Gefahr aussetzen.«
»Das wird Ihnen jetzt Superintendent Buchanan erklären«, erwiderte Tweed.
Buchanan kam nach vorn an Tweeds Schreibtisch und ergriff das Wort:
»Sämtliche Häuser in der Nähe der Brücken werden bis zum frühen Nachmittag evakuiert werden. Den Anwohnern haben wir gesagt, dass eine Gasleitung geplatzt sei und dass sie deswegen vorübergehend in Hotels umziehen müssten. Aus demselben Grund werden wir auch die Straßen am Themseufer sperren. Wenn das geschehen ist, gehen unsere Leute in Stellung - die Antiterroreinheit von Scotland Yard übernimmt das rechte Themseufer, während Sie und der SAS für das linke zuständig sind. Den Verkehr werden wir über die Strand, den Trafalgar Square und die Mall umleiten. Sicherlich wird es ein gigantisches Verkehrschaos geben, aber das müssen wir in Kauf nehmen. Die einzigen Übergänge über die Themse wird es weiter flussabwärts an der Blackfriars, der Southwark, der London und der Tower Bridge geben. Und natürlich ist auch der Rotherhithe-Tunnel offen.«
»Und was ist, wenn es einer der Lastkähne bis zur Blackfriars Bridge schafft?«, fragte Nield.
»Das ist völlig ausgeschlossen, und falls doch, wird ihn der SAS mit einer Rakete versenken. Sobald sämtliche Lastkähne ausgeschaltet sind, können wir den Verkehr wieder über alle Brücken leiten.«
»Eine Frage hätte ich noch«, sagte Paula in einem Ton, der alle anderen sofort aufhorchen ließ. »Wird denn die El Kaida nicht misstrauisch werden, wenn sie sieht, dass auf den Brücken keine Autos sind?«
»Die Frage haben wir uns auch schon gestellt«, antwortete Buchanan. »Deshalb haben wir uns bei einer Reihe von Schrottplätzen uralte Rostlauben geholt, die wir heute Nachmittag auf die Brücken stellen lassen. So täuschen wir den Terroristen vor, dass alles in Ordnung ist.«
Paula nickte anerkennend.
»Zwei Dinge noch, bevor ich mit meinen Ausführungen schon wieder am Ende bin«, sagte Buchanan. »Erstens: Wenn Sie nachher hinunter in den Keller gehen, um Ihre Waffen in Empfang zu nehmen, wird man jedem von Ihnen auch ein Funkgerät aushändigen, über das Sie ständig mit den anderen in Kontakt bleiben können. Zweitens: Ziehen Sie sich die schwarzen Overalls mit dem SIS-Zeichen auf dem Rücken an. So können Sie von den anderen Einsatzkräften erkannt werden und werden nicht aus Versehen von den eigenen Leuten erschossen. Jetzt bleibt mir eigentlich nur, Ihnen alles Gute zu wünschen.«
Als alle anderen sich auf den Weg in den Keller machten, ging Paula hinüber zu Tweed und sagte leise: »Wollen Sie sich nicht noch einmal kurz aufs Ohr legen? Sie müssen doch hundemüde sein.«
»Im Gegenteil, meine Liebe«, sagte Tweed. »Ich habe mich noch nie so hellwach gefühlt.«
43
Am Kai des Kohlekraftwerks hatte Ali gerade zum zweiten Mal die Steuerhäuser der sechs Lastkähne inspiziert. Später, wenn sie zu ihrer letzten Fahrt aufbrachen, würde er auf dem Lastkahn Nummer fünf sein, der dazu ausersehen war, die Chelsea Bridge zu zerstören. Von dort aus würde er in ständigem Funkkontakt mit den anderen Kähnen stehen.
In grimmiger Vorfreude dachte Ali an die kollabierenden Brücken, die zerfetzten Autos und die im kalten Wasser der Themse treibenden toten oder sterbenden Menschen. Nach der Zerstörung der Brücken würde es Jahre dauern, bis man in London wieder an allen Stellen den Fluss überqueren konnte. Das würde ein großer Erfolg im Namen Allahs sein, aber eigentlich waren es die Toten und die Verletzten, auf die Ali sich am meisten freute.
Mit einem Lächeln auf den Lippen stieg er hinab in den Laderaum seines Lastkahns, wo sich die Männer seiner Zelle zum Gebet versammelt hatten. Nur Haydar, der Ägypter, fehlte, weil dieser sich ja um die Frau des Wachmanns in deren Haus in Balham zu kümmern hatte. Als
Weitere Kostenlose Bücher