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Das neue Buch Genesis

Das neue Buch Genesis

Titel: Das neue Buch Genesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Beckett
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Zittern oder wusste sie auch, dass sie in Gefahr war?
    ANAXIMANDER: Ich versuche, nicht überrascht zu sein. Überraschung ist das öffentliche Antlitz eines verschlossenen Geistes.
    Der Prüfer nickte, doch seine Miene blieb ernst. Anax sah plötzlich überall Schatten. Sie zwang sich dazu, sich auf die Fragen zu konzentrieren.
    PRÜFER: Die Aufzeichnungen sind nicht abhanden gekommen . Vielmehr wurden sie niemals freigegeben.
    Anax' Mund klappte auf. Wie konnte das sein? Alle Aufzeichnungen waren freigegeben. Das war ihr zentrales Dogma. Eine Gesellschaft, die Wissen fürchtet, ist eine Gesellschaft, die sich selbst fürchtet. Was sie ihr gerade erzählten, war keine harmlose Bagatelle, für die sich nur eine Handvoll Historiker interessierte.
    Was sie sagten, war schockierender und gefährlicher als alles, was sie sich vorstellen konnte. Natürlich lag es nahe zu fragen: Warum haben Sie das geheim gehalten? Wäre d a nicht noch eine andere, viel drängendere Frage gewesen.
    ANAXIMANDER: Warum erzählen Sie mir das?
    PRÜFER: Was wir Ihnen gleich zeigen werden, haben nur jene gesehen, die geprüft werden. Wir können unmöglich ein Urteil über Sie fällen, ohne zu sehen, wie Sie auf das reagieren, was wirklich geschah.
    Und was, wenn ich die Prüfung nicht bestehe?, wollte Anax fragen. Wie kann es sicher sein, mich wieder gehen zu lassen, angesichts dessen, was ich dann weiß? Die Antwort lag auf der Hand und verströmte den modrigen Geruch einer Wahrheit, die nie ans Tageslicht gekommen war. Der Raum wurde wieder dunkler.
    Anax packte die Angst. Sie drehte sich, fasziniert und entsetzt zugleich, zu dem Hologramm um und begriff endlich, was für sie auf dem Spiel stand.
    Anax hörte Gelächter, während die Figuren Gestalt annahmen: Art und Adam amüsierten sich gemeinsam über einen Witz. Sie saßen sich an einem Tisch gegenüber. Ein rotes Gewand, das bis zum Boden reichte, verhüllte Arts plumpen Körper und ersparte seinem Gefährten den Anblick seiner mechanischen Einzelteile. Adam sah ohne den Weichzeichner von Anax blühender Fantasie älter aus und auf seinem Gesicht lagen Schatten. Mensch und Maschine hielten Spielkarten in der Hand. Sie waren mitten in einem Spiel.
    PRÜFER: Die folgende Unterhaltung findet zehn Tage vor dem Finalen Dilemm a statt.
    Adam klatschte eine Karte auf den Tisch und riss jubelnd die Hände in die Luft. Er deutete mit dem Finger auf Art. »Mensch drei, Maschine zwei. Und was sagt dir das? Hallo, was sagt dir das?«
    »Es sagt mir«, antwortete Art, ungerührt von Adams Vorstellung, »dass du zu voreiligen Schlüssen neigst.« Art legte seine eigenen drei Karten offen auf den Tisch und sah Adam triumphierend an. »Angeschmiert!«
    Adam starrte verständnislos auf die Karten. »Du hast geschummelt«, behauptete er.
    »Beweise es mir«, erwiderte der Android lächelnd . »Du weißt es und ich weiß es auch«, entgegnete Adam. »Was gibt's d a zu beweisen?«
    »Ohne Beweise wissen wir nichts. Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
    Einen Moment stand das Bild still wie bei einem Übertragungsfehler. Adams Gesicht wurde plötzlich ernst. Er blickte Art durchdringend an und sah sich prüfend im Zimmer um. Er senkte die Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern. »Hast du es getan?«, raunte er. Art nickte.
    »Bist du dir sicher?«, hakte Adam nach und sah plötzlich sehr nervös aus. »Warum sollte ich dich anlügen?« »Dafür gäbe es Tausende von Gründen.« »Sag mir lieber, warum du mich gebeten hast, dir diesen Gefallen zu tun«, sagte Art. »Du hast mir eine Erklärung versprochen.«
    Adam bedeutete Art, noch näher zu kommen. Art beugte sich zu ihm vor. Adam schlug ohne Vorwarnung zu. Er sprang mit einem Satz über den Tisch und umklammerte Arts Hals mit beiden Händen. Der Android wehrte sich nicht, als Adam seinen Kopf immer heftiger hin und her schüttelte. Schließlich hing Arts haariger Schädel nur noch lose auf seinem dünnen Halsgestell und rollte plötzlich mit einer erstaunlich sanften Bewegung zu Boden. Adam wich zurück, den Blick auf die Tür geheftet. Nichts geschah.
    Ganz langsam begann sich Arts Körper wieder zu bewegen. Er glitt unter seinem wallenden Gewand nach unten. Zwei glänzende Hände streckten sich aus und ertasteten den Kopf. Vorsichtig setzten sie ihn an seinen Platz. Man hörte ein klickendes Geräusch, dann leuchteten Arts Augen wieder auf. Er legte den Kopf schief, vielleicht aus Neugier, vielleicht auch nur, um ihn wieder

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