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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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schüttelte müde den Kopf. Er sah in Papieren nach, die auf einem Stoß vor ihm lagen, schüttelte erneut den Kopf und machte dann eine Geste, mit der er Henri aufforderte zu warten. Er ging durch einen schmalen Durchgang hinaus, als er kurze Zeit später zurückkam, schüttelte er zum dritten Mal den Kopf.
    »Aus St. Barnabas, sagtet Ihr? Es gibt keinen Patienten, der Alexios Narkissos heißt und aus diesem Kloster hier eingeliefert wurde.«
    »Gibt es noch ein anderes Spital in Salamis?«
    »Dies ist das einzige.«
    »Alle Verletzten werden nur hier eingeliefert?«
    »Natürlich, wir müssen ja einen Überblick haben über die Kranken und Verletzten. Die französische Verwaltung befiehlt es uns.«
    Henri nickte dem müden Pförtner zu und ging den Weg zurück. Aus den Krankenzimmern drangen Geräusche, Stöhnen und Fluchen. Pfleger gaben Anweisungen, ein alter Mann wurde mit einem gelben Schwamm gewaschen, und es roch säuerlich. Henri fragte kurz entschlossen einen der Weißbekittelten, aber der Mann brummte nur etwas und eilte davon.
    »Er muss aber hier sein!«, rief ihm Henri hinterher.
    »Dann geht ins nächste Gebäude zum stellvertretenden Leiter des Spitals. Der muss es wissen. Er heißt Yenibogazici!«
    Henri blieb unschlüssig stehen. Einen Versuch wollte er noch unternehmen, es konnte immerhin sein, dass die Pförtner Anweisung bekommen hatten, über bestimmte Kranke keine Auskunft zu erteilen.
    Henri überquerte einen Hof und betrat die Stube des stellvertretenden Leiters. Der hörte sich Henris Frage an und musterte ihn dabei eingehend. Dann wandte er sich ab. Er machte sich die Mühe, in einigen Papieren zu blättern. Aber wie Henri vorausgesehen hatte, schüttelte er danach bedauernd den Kopf.
    »Hier gibt es keinen Patienten dieses Namens. Überhaupt ist in den letzten beiden Tagen niemand ins Spital eingeliefert worden – glücklicherweise, denn wir sind hoffnungslos überbelegt. Die Gewalt auf den Straßen nimmt zu.«
    Henri dankte und ging.
    Draußen stand er einen Moment lang in der Sonne.
    Plötzlich schwankte er leicht hin und her und merkte, dass auch er selbst müde war. Eine Last drückte auf seinen Kopf, seinen Körper. Henri atmete tief ein. Was er in den letzten Jahren alles erlebt hatte, forderte irgendwann einmal seinen Preis. Nichts ging spurlos an einem Menschen vorbei.
    Henri fragte sich, ob er selbst in naher Zukunft in einem solchen Spital liegen würde, verbraucht und müde. Vielleicht verwundet oder krank.
    Nein, er wollte im Kampf sterben. Aufrecht, vielleicht reitend, ein Ziel vor Augen.
    Henri kam nur langsam zum eigentlichen Anliegen seines Besuches zurück. Was war mit diesem Alexios Narkissos geschehen? Wer log in dieser Sache, der Abt des Klosters, oder die Leute hier im Spital?
    Henri blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Er setzte sich in den Schatten einer Palme und sah über die Stadt. Wenn Uthman und Sean aus Enkomi kamen, dann mussten sie gemeinsam entscheiden, was zu tun war.
     
     
    Sean ritt nach Enkomi. Das Gewitter hatte sich jetzt mit allen dicken Regenwolken verzogen, die Luft war klar und duftete nach den Blüten des Frühlings. Sean musste an Madeleine denken, die Uthman ihm einst weggeschnappt hatte. Die junge Frau war auf dem Absprung, das spürte er trotz seiner Jugend genau. Jedes Mal, wenn er zu ihrem Zellenfenster im Kloster hinaufblickte, rechnete er damit, dass sie bereits abgereist war. Sie erhoffte sich nichts mehr von einer Verbindung mit Uthman.
    Was kann ich für sie tun, dachte Sean, soll ich um sie buhlen? Sie an mich binden? Versuchen, sie glücklich zu machen? Er hatte sie einst sehr verehrt, konnte er diese Zeit wieder lebendig werden lassen? Aber das wäre ihm zu abgeschmackt vorgekommen.
    Sean beschloss, ihr einfach freundschaftlich verbunden zu bleiben. Wenn er ihr raten konnte, dann würde er das tun.
    Enkomi lag landeinwärts im Süden von Salamis. Sean musste beim Weiterreiten auch an Ludolf von Suchen und Jesus de Burgos denken. Die beiden waren den ganzen Morgen lang nicht aufgetaucht, vielleicht hatten sie das Kloster verlassen. Es war möglich, dass Jesus schon zum Kloster des heiligen Georg nach Famagusta geritten war, zu dem seine Pilgerreise führte. Genaueres konnte ihm aber niemand sagen.
    Und dieser Grimaud hatte sich noch nicht blicken lassen. Er soll bleiben, wo er ist, dachte Sean.
    Sean gab seinem Pferd unwillkürlich die Hacken, er wusste, dass Henri in Salamis auf Uthman und ihn wartete. Schließlich ging

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