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Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)

Titel: Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz , Kai Schreiber
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Erde fallen, ist unstrittig. Man erkennt die Flugzeugherkunft daran, dass das Eis gelb, braun oder durch Desinfektionsmittel blau gefärbt ist. Flugzeuge entleeren ihre Toiletten zwar nicht im Flug, wie manchmal zu lesen ist, aber die Anschlussventile, durch die die Abwassertanks am Boden geleert werden, schließen in großer Höhe nicht immer so dicht wie am Flughafen. Flüssigkeit kann nach außen sickern und in der kalten Umgebungsluft am Flugzeug festfrieren. Beim Landeanflug tritt das Flugzeug in wärmere Luftschichten ein, der Eisklumpen löst sich und fällt zur Erde. Der Konstanzer Südkurier berichtete im Januar 2009 von einem Hausbesitzer aus Denkingen bei Tuttlingen, auf dessen Grundstück mehrmals im Jahr gefrorene Fäkalienbrocken niedergehen. Auch in den benachbarten Gemeinden, die im Bereich der Einflugschneise zum Flughafen Zürich-Kloten liegen, fällt immer wieder Unerfreuliches zu Boden.
    Megacryometeore unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung eindeutig von diesen euphemistisch «Blue Ice» genannten Funden. Aber dass mittelgroße Eisbrocken sich an Flugzeugen bilden und von dort zu Boden fallen können, ohne unterwegs zu schmelzen, ist ein Punkt für die Anhänger der Flugzeugtheorie. Wenn keine leckenden Sanitärinstallationen im Spiel sind, frieren vielleicht einfach Niederschläge oder Luftfeuchtigkeit am Flugzeug fest? In diesem Fall wäre zu klären, an welchen Stellen eines Flugzeugs Eisblöcke der nötigen Struktur und Größe entstehen können. Es ist zwar eine bekannte Tatsache, dass sich an Flugzeugen Eis bilden kann, wenn sie bei Temperaturen zwischen 0 °C und –6 °C durch feuchte Luft oder Niederschlag fliegen. Dabei entstehen allerdings üblicherweise dünne Eisplatten oder Raureifbeläge, keine großen Brocken.
    Martínez-Frías und seine Kollegen wenden ein, dass bei den meisten Megacryometeorfunden weder ein Flugzeug in Sichtweite war, noch nachträglich ein Überflug zum fraglichen Zeitpunkt festgestellt werden konnte. Das muss allerdings nicht viel heißen. Auch bei «Blue Ice»-Funden, für die es keine andere Quelle als ein Flugzeug geben kann – es sei denn, man glaubt an Ufos mit irdischen Toiletten an Bord –, lassen sich die Verursacher aus verschiedenen Gründen nur schwer identifizieren. Ein großer, unregelmäßiger Eisklumpen erreicht beim Sturz eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 200 km/h und braucht bei einer Reiseflughöhe von zehn Kilometern drei Minuten bis zum Boden. Das Flugzeug legt knapp 1000 Kilometer pro Stunde zurück, es ist daher im Moment des Eisaufpralls schon 50 Kilometer weit weg und mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Windrichtungen und -geschwindigkeiten in den durchquerten Luftschichten ganz unterschiedlich sein können und das Eis daher nicht unbedingt auf einer einfach zu berechnenden Bahn zu Boden fällt.
    Im fiktiven Karussell der sich wiederholenden Argumente kommt jetzt ein Gegner der Flugzeughypothese nach vorne gefahren. Er deutet auf mehrere Sammlungen mit Berichten über Eis, das vom Himmel fiel, bevor es Flugzeuge gab. Am Abend des 13. August 1849 beispielsweise ging ein unregelmäßig geformter Eisbrocken von knapp sieben Metern Umfang auf dem Grundstück eines Mr. Moffat im schottischen Ballachulish nieder. Aber das Argumentenkarussell dreht sich weiter, die nächste Figur erklärt, dass einzelne Anekdoten nichts beweisen, historische Quellen alles Mögliche behaupten und die zitierten Berichtsammlungen von Ufo-Forschern und anderen zweifelhaften Personen angelegt wurden.
    Die nächste Schnitzfigur ist ein historisch gebildeter Diskussionsteilnehmer, der darauf hinweist, dass man in jungen Forschungsgebieten oft auf Augenzeugenberichte aus dem Volke angewiesen ist. Tatsächlich sah es in der Frühgeschichte der Meteoritenforschung nicht anders aus. Die Berichte über vom Himmel fallende Feuerbälle, mit denen sich der deutsche Physiker Ernst Florens Chladni im 18. Jahrhundert befasste, galten seinen Zeitgenossen als Zeugnisse bäurischen Aberglaubens. Nachdem er 1794 die umstrittene These veröffentlichte, es handle sich um Steinbrocken aus dem Weltall, wurden Meteoritenereignisse jedoch aufmerksamer beobachtet und dokumentiert, andere Forscher begannen, die Gesteinsfunde zu analysieren, und fünfzig Jahre nach Chladnis Veröffentlichung war der außerirdische Ursprung der Meteoriten unter Wissenschaftlern weitgehend akzeptiert.
    Zum Schluss fährt auf dem Argumentenkarussell ein ganzer

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