Das Nibelungenlied
Brunhildens Saal;
Daran hingen Schellen · von lichtem Golde rot.
Sie kamen zu dem Lande · wie ihr Hochsinn gebot,
Mit Speeren neu geschliffen · mit wohlgeschaffnem Schwert,
Das bis auf die Sporen · ging den Helden wert.
Die Wohlgemuten führten · es scharf genug und breit.
Das alles sah Brunhild · diese herrliche Maid.
Mit ihnen kam auch Dankwart · und sein Bruder Hagen:
Diese beiden trugen · wie wir hören sagen,
Von rabenschwarzer Farbe · reichgewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde · gut, dazu auch lang und breit.
Von India dem Lande · trugen sie Gestein,
Das warf an ihrem Kleide · auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet · das Schifflein bei der Flut;
So ritten nach der Feste · diese Helden kühn und gut.
Sechsundachtzig Türme · sahn sie drin zumal,
Drei weite Pfalzen · und einen schönen Saal
Von edelm Marmelsteine · so grün wie das Gras,
Darin Brunhild selber · mit ihrem Ingesinde saß.
Die Burg war erschlossen · und weithin auf getan,
Brunhildes Mannen · liefen alsbald heran
Und empfingen die Gäste · in ihrer Herrin Land.
Die Rosse nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand.
Da sprach der Kämmrer einer · »Gebt uns euer Schwert
Und die lichten Panzer« · »Das wird euch nicht gewährt,«
Sprach Hagen von Tronje · »wir wollen's selber tragen.«
Da begann ihm Siegfried · rechten Bescheid davon zu sagen:
»In dieser Burg ist Sitte · das will ich euch sagen,
Keine Waffen dürfen · da die Gäste tragen:
Laßt sie von hinnen bringen · das ist wohlgetan.«
Ihm folgte wider Willen · Hagen, König Gunthers Mann.
Man ließ den Gästen schenken · und schaffen gute Ruh.
Manchen schnellen Recken · sah man dem Hofe zu
Allenthalben eilen · in fürstlichem Gewand;
Doch wurden nach den Kühnen · ringsher die Blicke gesandt.
Nun wurden auch Brunhilden · gesagt die Mären,
Daß unbekannte Recken · gekommen wären
In herrlichem Gewande · geflossen auf der Flut.
Da begann zu fragen · diese Jungfrau schön und gut:
»Ihr sollt mich hören lassen« · sprach das Mägdelein,
»Wer die unbekannten · Recken mögen sein,
Die ich dort stehen sehe · in meiner Burg so hehr,
Und wem zulieb die Helden · wohl gefahren sind hieher.«
Des Gesindes sprach da einer · »Frau, ich muß gestehn,
Daß ich ihrer keinen · je zuvor gesehn;
Doch einer steht darunter · der Siegfrieds Weise hat:
Den sollt ihr wohl empfangen · das ist in Treuen mein Rat.
Der andere der Gesellen · gar löblich dünkt er mich;
Wenn er die Macht besäße · zum König ziemt' er sich
Ob weiten Fürstenlanden · sollt er die versehn.
Man sieht ihn bei den andern · so recht herrlich da stehn.
»Der dritte der Gesellen · der hat gar herben Sinn,
Doch schönen Wuchs nicht minder · reiche Königin.
Die Blicke sind gewaltig · deren so viel er tut:
Er trägt in seinem Sinne · wähn' ich, grimmigen Mut.
»Der jüngste darunter · gar löblich dünkt er mich:
Man sieht den reichen Degen · so recht minniglich
In jungfräulicher Sitte · und edler Haltung stehn:
Wir müßten's alle fürchten · wär' ihm ein Leid hier geschehn,
»So freundlich er gebare · so wohlgetan sein Leib,
Er brächte doch zum Weinen · manch waidliches Weib,
Wenn er zürnen sollte · sein Wuchs ist wohl so gut,
Er ist an allen Tugenden · ein Degen kühn und wohlgemut.«
Da sprach die Königstochter · »Nun bringt mir mein Gewand:
Und ist der starke Siegfried · gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen · es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht' ihn nicht so heftig · daß ich würde sein Weib.«
Brunhild die schöne · trug bald erlesen Kleid.
Auch gab ihr Geleite · manche schöne Maid,
Wohl hundert oder drüber · sie all in reicher Zien
Die Gäste kam zu schauen · manches edle Weib mit ihr.
Mit ihnen gingen Degen · da aus Island,
Brunhildens Recken · die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber · das war den Gästen leid.
Aufstanden von den Sitzen · die kühnen Helden allbereit.
Als die Königstochter · Siegfrieden sah,
Nun höret, wie die Jungfrau · zu ihm redet' da:
»Seid willkommen, Siegfried · hier in diesem Land.
Was meint eure Reise? · das macht mir, bitt' ich, bekannt.«
»Viel Dank muß ich euch sagen · Frau Brunhild,
Daß ihr mich geruht zu grüßen · Fürstentochter mild,
Vor diesem edlen Recken · der hier vor mir steht:
Denn der ist mein Lehnsherr · der Ehre Siegfried wohl enträt.
»Er ist geboren vom Rheine · was soll ich sagen mehr?
Dir nur zuliebe · fuhren wir hieher.
Er will dich
Weitere Kostenlose Bücher