Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
seinen Beinen hoch. Dann hielt sie sich mit der einen Hand fest und streckte die andere mit einer Geste aus, die unmissverständlich bedeutete: » Mehr!«
» Du wirst nie ein Wegrenner, oder?« Benedict löste sie von seinen Beinen und pflanzte sie zurück auf den Teppich, sanfter zwar, aber immer noch fest genug, um ein freudiges Gackern hervorzurufen. » Du wirst dich immer wie ein Berserker mitten ins Getümmel werfen, bis zu den Zähnen bewaffnet.«
Er warf einen Blick zu Harry hinüber, der hochkonzentriert und mit gerunzelter Stirn vor seiner Eisenbahn kniete und ausprobierte, wie die kurvige Brücke in die Spur passte. Benedict vermutete, dass auch aus Harry kein Wegrenner werden würde, aber nur, weil er irgendwelchen Tumult um sich herum gar nicht wahrnahm. Harry bewegte sich stets in seinem eigenen Tempo, geriet nie aus dem Takt– der wohl eher dem von Eltons Johns Don’t Let the Sun Go Down on Me entsprach als dem von Golden Earrings Radar Love.
Während bei mir ständig andere den Takt vorgaben, dachte er. Das war so niederdrückend für ihn, dass er sich zu Rosie auf den Spielteppich setzte und lustlos ihren Kitzel-Elmo knuffte, bis Harry, der endlich seine Bahn fertig gebaut hatte, ihn fragte, ob sie nicht auf den Spielplatz gehen könnten.
Als Benedict die Küche verließ, hatte er die Tür einen Spalt offen gelassen. Eigentlich sollte er Mo Bescheid sagen, dass er mit den Kindern einen Spaziergang machen wollte, aber durch den Spalt hörte er sie mit tränenerstickter Stimme sprechen und Patrick besänftigend murmeln.
Sie sind beschäftigt, entschied Benedict, ich lass sie lieber in Ruhe. Und ich bin wirklich eine Riesenmemme, dachte er mit einem weiteren Anflug von Selbsthass.
Als er mit Rosie und Harry eine Stunde später wiederkam, stand die Küchentür sperrangelweit offen. Patrick saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, las Zeitung und trank Kaffee. Mo war nirgends zu sehen.
» Sie ist unter der Dusche«, erklärte Patrick.
» Hey, Meister«, sagte er dann, setzte den Kaffeebecher ab und streckte einen Arm nach Harry aus, der sich vorsichtig genähert hatte. Begeistert kletterte Harry daran hoch und ließ sich schwer auf Patricks Schoß fallen.
» Uff«, sagte Patrick. » Wenn ich dich den ganzen Tag herumtragen müsste, könnte ich mir das Fitnessstudio sparen.«
Benedict setzte Rosie in ihren Hochstuhl und bereitete etwas zu essen und zu trinken für die Kinder vor. Er versuchte, den leichten Groll zu ignorieren, der an ihm nagte, weil Patrick sich sowohl bei Mo als auch bei Aishe benahm, als wäre er dort zu Hause. Obwohl Gulliver Patrick heute nur trotzige Antworten gegeben hatte, war klar ersichtlich, dass der Junge ihn respektierte und bewunderte. Mich mag er, dachte Benedict. Aber ich weiß nicht, ob er mich respektiert. Genauso ist es bei Mo. Wenn sie mich respektierte, hätte sie mir ihr Herz ausgeschüttet, nicht Patrick. In ihren Augen bin ich ein netter Junge, schloss Benedict, aber kein Mann– wie auch Aishe mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben hat. Patrick ist ein Mann, dachte Benedict mit sinkendem Mut, und nicht nur wegen seiner körperlichen Stärke.
» Da ist noch Kaffee in der Kanne«, bemerkte Patrick.
» Ja.« Benedict fand seine Antwort etwas knapp und fügte hinzu: » Danke.«
Er schenkte sich einen Becher ein und setzte sich nach kurzem Zögern Patrick gegenüber an den Tisch. Als er den Becher an die Lippen hob, überkam ihn ein starkes Déjà-vu-Gefühl. Er senkte ihn wieder und bemerkte, dass Patrick ihn durchdringend anstarrte.
» Hardy«, sagte Patrick. » Aber doch nicht verwandt mit Reg Hardy?«
Instinktiv wurde Benedict vorsichtig. » Woher kennen Sie Reg Hardy?«
» Er hat mir eine seiner Geschäftsimmobilien angeboten«, sagte Patrick. » Vor ein paar Jahren. Ich lehnte ab. War vielleicht nicht klug, aber so wie’s aussieht, hab ich noch alle meine Körperteile.«
Er sah Benedict abschätzend an. » Sie sehen ihm ein wenig ähnlich. Sind Sie mit ihm verwandt?«
Benedict zögerte kurz. » Er ist mein Vater.«
Patrick zog die Augenbrauen hoch. Dann wechselte seine Miene von Überraschung zu etwas anderem, das Benedict nicht einordnen konnte. Es sah fast aus wie Mitleid, allerdings mit einem Anflug von Verlegenheit. Außerdem schien er nach Worten zu suchen.
» Sie sagten… ist«, bemerkte Patrick schließlich.
Benedict runzelte die Stirn. Seine Verwirrung schlug in Ärger um. » Ja. Reg Hardy ist mein Vater. Und, was wollen Sie?«
»
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