Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence
ehrlich gesagt, glaube ich, in einem Fall wie diesem würde sie als Letztes zu ihren Eltern gehen.«
Mo wusste, dass Darrells Eltern und ihre Mutter aus demselben Holz geschnitzt waren: hochglänzend, aber so hart, dass es nicht mal Risse bekäme, wenn die Posaunen zum Jüngsten Gericht ertönten. Und passend zu allen Teppichen des Hauses.
» Ja? Warum zum Teufel sollte sie denn dann den langen Weg auf sich nehmen?« Dann fiel es ihm ein. » Na klar. Scheiße! Sie will sein Grab besuchen. Sie ist abgehauen, um mit einem gottverdammten Geist darüber zu sprechen, was sie tun soll!« Anselo hob die Stimme. » Und wenn der Geist ihres toten Mannes ihr sagt, was sie tun soll, dann tut sie es auch, nicht wahr? Gleich dort! Sie muss, weil andernfalls ist es viel zu spät dafür!«
» Es tut mir leid«, sagte Mo. » Du Ärmster.«
Sie verspürte einen dumpfen Schmerz im Bauch, eine Mischung aus Traurigkeit, Frustration und Wut über den Egoismus ihrer Freundin. Über ihre vollkommene Idiotie! Wenn die Kinder nicht da wären, dachte sie, würde ich mich auf der Stelle in einen Flieger setzen und Chad sich selbst und seinen eingebildeten Problemen überlassen! Hier ist ein Mann, der wirklich Hilfe braucht!
» Hast du jemanden, mit dem du reden kannst?«, fragte sie. » Jemanden aus deiner Familie?«
» Wenn Darrell es nicht mal mir erzählen wollte«, erwiderte Anselo, » dann ist sie ganz sicher dagegen, dass es alle Welt erfährt. Und genau das würde bei meiner Familie passieren. Gegen die ist Twitter rein gar nichts!«
» Ich persönlich finde ja, dass Darrell jedes Recht auf Solidarität verwirkt hat, als sie ohne Rücksicht auf Verluste einfach abgehauen ist. Du musst es jemandem erzählen«, wiederholte Mo beharrlich. » Sonst wirst du noch verrückt.«
» Diesen Punkt habe ich längst überschritten«, erwiderte Anselo. » Aber– ich denke drüber nach. Danke.«
Daraufhin beendete Mo das Gespräch und wählte unverzüglich eine neue Nummer.
» Connie. Du kommst zum Abendessen. Tja, Pech für Phil, soll er sich Pizza und Bier genehmigen. Trainiert er es sich morgen beim Zumba eben wieder ab. Wird ihm guttun. Sieben Uhr. Hier bei mir.«
Als sie auflegte, fühlte sie sich schon etwas besser.
» Er hortet– Bohnen?«
» Allerdings, Connie! Das musikalische Gemüse, das dich furzen lässt. Getrocknete. Säckeweise. Mein Schwiegervater Lowell Lawrence– siebzig Jahre alt, ehemaliger Vorsitzender einer schwerreichen Bank, eingefleischter Republikaner und treues Mitglied des Country Clubs– hat sein Arbeitszimmer in ein Bohnensilo verwandelt.«
Mo trank einen Schluck von ihrem Wein. » Momentan schläft und isst er auch in diesem Arbeitszimmer. Genauer gesagt weigert er sich, es zu verlassen.«
» Wie Großtante Ada«, bemerkte Connie.
Mo blinzelte. » Aus Cold Comfort Farm ?«
» Ein absoluter Comic-Klassiker.«
» Manchmal machst du mir Angst«, erklärte Mo. » Der Unterschied zwischen Lowell und Großtante Ada besteht darin, dass Letztere eine manipulative alte Hexe war, die genau wusste, was sie tat. Lowell hingegen war vielleicht etwas kauzig, was Öle und Sport betrifft, aber jetzt ist er völlig durchgedreht. Kein Wunder, dass Virginia außer sich ist.«
Connie brach ein winziges Stück von ihrem Brötchen ab. » Was glaubst du, steckt dahinter?«
» Ich frag mich schon länger nicht mehr, was die Männer der Familie Lawrence antreibt«, erklärte Mo. » Aber ganz offensichtlich ist es lange latent und bricht nur aus, wenn es für die Umgebung am wenigsten passt.«
» Wirst du es Chad sagen?«
» Er wollte keinen Kontakt, es sei denn, es ginge um Leben und Tod.«
» Aber sein armer Vater«, protestierte Connie. » Und seine arme Mutter. Würde er nicht wissen wollen, wenn es ihnen schlecht geht?«
» Nein!«, sagte Mo. » Zum Teufel mit ihm! Wenn er meint, er könnte sich einfach so aus seinem Leben verabschieden und ohne irgendwelche Konsequenzen einfach wieder zurückkommen, hat er so einen Tritt in den Arsch verdient!«
Connie zerbröselte ihr winziges Stück Brötchen in kleine Krümel. » Findest du das wirklich fair?«
» Fair?« Mo levitierte fast von ihrem Stuhl. » Fair? War es vielleicht fair, mich ohne vorher zu fragen quer durchs Land zu schleifen? Oder den ganzen Tag zu arbeiten und mich in einer fremden Stadt ganz allein zu lassen? War es fair, Frau und Kinder zu verlassen, um sich selbst zu finden? Und das ist nur das, was er uns angetan hat! Die Anrufe seiner Eltern hat er
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