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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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kannten?«
      »Ich kannte sie erst ein paar Wochen.«
      »Wie lange ist die Zofe Dolores bei ihr?«
      »Einige Jahre.«
      »Dann kennt Dolores den Charakter Ihrer Frau wohl besser als Sie?«
    »Ja, das kann man sagen.«
    Holmes machte sich eine Notiz.
      »Ich stelle mir vor, daß ich in Lamberley nützlicher bin, als wenn ich den Fall von hier aus behandle. Er erfordert meine persönliche Untersuchung. Wenn die Dame in ihrem Zimmer bleibt, wird unsere Anwesenheit sie nicht belästigen und beunruhigen. Natürlich würden wir im Gasthof wohnen.«
      Ferguson machte eine Geste der Erleichterung.
      »Ich hatte gehofft, daß Sie kommen, Mr. Holmes. Um zwei Uhr fährt ein ausgezeichneter Zug ab Victoriastation.«
      »Selbstverständlich kommen wir. Es gibt hier gegenwärtig eine Flaute. Ich kann Ihnen meine Kraft ungeteilt zur Verfügung stellen. Watson wird natürlich dabeisein. Aber da sind zwei Punkte, in denen ich ganz sichergehen möchte, ehe ich beginne. Die unglückliche Dame hat, wie ich das verstehe, beide Kinder angegriffen, ihr eigenes Baby und Ihren Sohn.«
      »So ist es.«
      »Aber es waren unterschiedliche Angriffe, oder nicht? Ihren Sohn hat sie geschlagen.«
      »Einmal mit einem Stock und einmal sehr heftig mit den Händen.«
      »Hat sie denn keine Erklärung abgegeben, weshalb sie ihn geschlagen hat?«
      »Keine, außer daß sie ihn haßt. Wieder und wieder hat sie das gesagt.«
      »Nun, so etwas ist bei Stiefmüttern nicht selten, eine Eifersucht über den Tod hinaus, würde ich sagen. Ist die Dame von Natur eifersüchtig?«
      »Ja, sie ist sehr eifersüchtig – eifersüchtig mit aller Kraft ihrer glühenden tropischen Liebe.«
      »Aber der Junge – er ist fünfzehn, wie Sie sagten, und wahrscheinlich geistig sehr entwickelt, da er körperlich behindert ist. Hat er Ihnen keine Erklärung gegeben?«
      »Nein. Er sagte, es sei ohne Grund geschehen.«
      »Standen sie sonst gut miteinander?«
      »Nein, zwischen ihnen hat es nie so etwas wie Liebe gegeben.«
      »Und doch sagten Sie, er sei zärtlich.«
      »Auf der ganzen Welt gibt es keinen zärtlicheren Sohn. Mein Leben ist sein Leben. Er ist ganz von dem eingenommen, was ich sage oder tue.«
      Wieder machte Holmes eine Notiz. Einige Zeit saß er gedankenverloren da.
      »Ohne Zweifel waren Sie und der Junge richtige Freunde vor dieser zweiten Heirat. Sie gingen wohl sehr vertraulich miteinander um.«
      »Sehr.«
      »Und der Junge, der von Natur so liebevoll ist, hängt zweifellos in Gedanken weiter an seiner Mutter?«
      »Ja, sehr.«
      »Er ist sicherlich ein hochinteressanter Bursche. Da habe ich noch eine Frage wegen der Angriffe: Das Baby und Ihr Sohn, wurden sie zur selben Zeit attackiert?«
      »Das erstemal ja. Es war, als hätte ein Wahnsinn meine Frau gepackt, sie richtete ihre Wut gegen beide. Beim zweitenmal war es nur Jack, der leiden mußte. Mrs. Mason hatte keine Klagen wegen des Babys vorzutragen.«
      »Das kompliziert die Angelegenheit.«
      »Ich .kann Ihnen nicht ganz folgen, Mr. Holmes.«
      »Wie sollten Sie auch. Man stellt vorläufige Theorien auf und wartet dann, bis Zeit oder größere Kenntnis sie widerlegen. Eine schlechte Angewohnheit, Mr. Ferguson, aber die menschliche Natur ist schwach. Ich fürchte, daß Ihnen Ihr alter Freund eine übertriebene Beschreibung meiner wissenschaftlichen Methoden gegeben hat. Wie dem aber sei, ich möchte nur sagen, daß mir Ihr Problem im gegenwärtigen Stadium nicht unlösbar erscheint und daß Sie uns um zwei Uhr auf Victoria Station erwarten können.«

    Es war am Abend eines trüben, nebligen Novembertages, als wir, nachdem wir unser Gepäck im ›Schachbrett‹ in Lamberley abgestellt hatten, über eine lange gewundene Straße durch den Lehm von Sussex fuhren und schließlich das altertümliche Landhaus erreichten, in dem Ferguson wohnte. Es war ein großes, weitläufiges Gebäude mit einem sehr alten Mittelbau und sehr neuen Seitenflügeln, mit hohen Tudor-Schornsteinen und einem flechtenbedeckten, steilen Dach, das mit Schiefer aus Horsham gedeckt war. Die Stufen waren ausgetreten, und die alten Fliesen, die das Portal einfaßten, zeigten Bilder von einem Käse und einem Mann – Versinnbildlichung des Namens des Bauherrn. Innen waren die Decken von schweren Eichenbalken durchzogen, und der unebene Fußboden hatte an einigen Stellen tiefe Wellen. Ein Geruch von Alter und Verfall hing in dem ganzen

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