Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
einen plötzlichen heißen Schmerz, als würde glühendes Eisen gegen meinen Schenkel gepreßt. Und ich hörte es krachen, als Holmes seine Pistole auf den Kopf des Mannes sausen ließ. Ich sah wie im Traum, wie er lang zu Boden fiel; Blut strömte ihm übers Gesicht, und Holmes durchsuchte ihn nach Waffen. Dann fühlte ich Holmes’ sehnige Arme, und er geleitete mich zu einem Sessel.
»Sie sind nicht verletzt, Watson? Um Himmels willen, sagen Sie, daß Sie nicht verletzt sind!«
Es war eine Wunde wert – es wäre viele Wunden wert gewesen –, daß ich die Tiefe der Treue und Liebe erfuhr, die hinter der kühlen Maske lag. Die klaren, harten Augen waren für einen Moment trübe, und der feste Mund zitterte. In diesem einen und einmaligen Augenblick konnte ich einen Blick auf ein großes Herz und ein großes Hirn werfen. Alle meine Jahre bescheidenen, aber auch treuen Dienstes gelangten in diesem Augenblick der Offenbarung zum Höhepunkt.
»Es ist nichts, Holmes. Es ist nur ein Kratzer.«
Er trennte meine Hosen mit seinem Taschenmesser auf.
»Sie haben recht«, rief er, und er stieß einen gewaltigen Seufzer der Erleichterung aus. »Es ist bloß eine Fleischwunde.« Sein Gesicht wurde hart wie Stein, als er auf unseren Gefangenen blickte, der sich, noch betäubt, aufrichtete. »Bei Gott, Sie haben auch Glück gehabt. Wenn Sie Watson getötet hätten, Sie wären aus diesem Raum nicht lebend herausgekommen. Nun, Sir, was können Sie zu Ihren Gunsten sagen?«
Er konnte nichts zu seinen Gunsten sagen. Er lag nur da und blickte finster drein. Ich lehnte gegen Holmes’ Arm, und gemeinsam schauten wir in den kleinen Keller, den die Geheimtür enthüllt hatte. Er war von der Kerze erhellt, die Evans mit hinuntergenommen hatte. Unser Blick fiel auf eine verrostete Maschine, auf große Papierrollen, auf weggeworfene Flaschen und auf eine Anzahl ordentlich gebündelter Päckchen auf einem Tischchen.
»Eine Druckpresse – die Ausrüstung eines Fälschers«, sagte Holmes.
»Ja, Sir«, sagte unser Gefangener und kam langsam und unter Schwanken auf die Beine, um sich in einen Sessel fallen zu lassen. »Die des größten Fälschers, den London je gesehen hat. Es ist Prescotts Maschine, und die Päckchen auf dem Tisch sind zweitausend von Prescotts Banknoten, lauter Hunderter, und jeder geht als echt durch. Bedienen Sie sich, Gentlemen. Schlagen Sie ein in den Handel.«
Holmes lachte.
»Solche Sachen machen wir nicht, Mr. Evans. Für Sie gibt es in diesem Land kein Entkommen. Sie haben diesen Prescott erschossen, nicht wahr?«
»Ja, Sir, und ich habe dafür fünf Jahre bekommen, obwohl er es war, der mich reingerissen hat. Fünf Jahre – statt dessen hätte ich eine Medaille bekommen sollen, so groß wie ein Suppenteller. Kein Mensch könnte einen Prescott von einer Note der Bank von England unterscheiden, und wenn er von mir nicht ausgeschaltet worden wäre, hätte er London mit seinen Scheinen überschwemmt. Ich war der einzige auf der Welt, der wußte, wo er sie herstellte. Sind Sie erstaunt, daß ich an seine Werkstatt herankommen wollte? Und verwundert es Sie, daß ich, als ich auf diesen blöden Einfaltspinsel von Schmetterlingssammler mit dem komischen Namen stieß, der richtiggehend auf dem Schatz hockte und nie das Zimmer verließ, alles mir Mögliche tun mußte, um ihm Beine zu machen? Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn ich ihn weggepustet hätte. Das wäre einfach gewesen, aber ich bin ein gutmütiger Bursche, der nicht zuerst ziehen kann, wenn der andere Mann nicht auch eine Waffe hat. Aber sagen Sie, Mr. Holmes, was habe ich denn verbrochen? Ich habe diese Einrichtung nicht benutzt. Ich habe diesem alten Kerl kein Haar gekrümmt. Wobei haben Sie mich erwischt?«
»Nur bei versuchtem Mord, soweit ich das beurteilen kann«, sagte Holmes. »Aber das ist nicht unser Job. Das ist Sache der nächsten Instanz. Was wir hier suchten, war nur Ihre werte Person. Bitte, rufen Sie den Yard an, Watson. Es wird für sie nicht ganz unerwartet kommen.«
Das also waren die Tatsachen um Killer Evans und seine bemerkenswerte Erfindung von den drei Garridebs. Wir hörten später, daß unser armer alter Freund den Schock wegen seiner zerronnenen Träume nicht verwinden konnte. Sein Luftschloß stürzte ein und begrub ihn unter den Ruinen. Als wir zuletzt von ihm hörten, befand er sich in einem Pflegeheim in Brixton. Für den Yard war es ein Freudentag, als Prescotts
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