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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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erschreckend effiziente Weise.«
    »Ja …«
    »Was ist aber tatsächlich passiert?«, fragte sie mich plötzlich. »Was war so viel schlimmer, was war um ein Vielfaches erschreckender als alles, was er bis dahin getan hatte?«
    Ich dachte einen Moment nach, bevor ich antwortete: »Michael O’Connell lernte dazu.«
    Sie sagte nichts. Ich sah sie vor mir, wie sie mit der einen Hand das Telefon umklammerte und mit der anderen Halt suchte. Ihre Fingerknöchel würden sich weiß verfärben, während sie gegen etwas ankämpfte, was ich noch nicht verstand. Als sie schließlich reagierte, war es fast im Flüsterton, als kostete sie das Reden große Kraft. »Ja, das stimmt. Er lernte dazu. Aber Sie wissen immer noch nicht, was als Nächstes mit Susan passierte.«

7
Als die Dinge allmählich Konturen annahmen
     
    Achtundvierzig Stunden lang hörte Scott nichts von Susan Fletcher. Als sie sich dann doch noch meldete, wünschte er sich, sie hätte geschwiegen.
    Er hatte sich mit den Dingen abgelenkt, die für Akademiker typisch waren, hatte seinen Stundenplan für das bevorstehende Frühjahrssemester durchgesehen, hatte die Konzepte verschiedener Vorlesungen skizziert, einige Schreiben von Historischen Gesellschaften und Arbeitsgruppen beantwortet. Eigentlich hatte er mit keiner schnellen Rückmeldung von Susan Fletcher gerechnet. Er wusste, dass er sie in eine missliche Lage gebracht hatte, und er wäre nicht verwundert gewesen, hätte er einen vernichtend sarkastischen Anruf von Ashley erhalten, die ihn fragte, wieso er sich in ihre Angelegenheiten mischte. Er wusste, dass er darauf nicht viel zu entgegnen hatte.
    Folglich ließ er die Stunden verstreichen, ohne sich übermäßig zu sorgen. Es bringt nichts, nervös zu sein, sagte er sich jedes Mal, wenn er sich dabei ertappte, das schwarze Telefon mit Blicken zu fixieren, das stumm auf seinem Schreibtisch stand. Als es schließlich klingelte, schreckte er zusammen. Im ersten Moment erkannte er Susan Fletchers Stimme nicht wieder.
    »Professor Freeman?«
    »Ja?«
    »Susan … Susan Fletcher. Sie haben mich vor ein paar Tagen angerufen … wegen Ashley …«
    »Ja, sicher, Susan, tut mir leid. Ich hatte nicht damit gerechnet, so schnell von Ihnen zu hören.«
    Das stimmte natürlich nicht. Er hatte gehofft, dass sie sich möglichst bald bei ihm melden würde.
    Sie schwieg einen Moment, und Scott hörte, wie sie sich räusperte. »Stimmt etwas nicht?«, fragte er und hatte seine eigene Stimme nicht ganz unter Kontrolle.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.«
    »Was ist mit Ashley?«, platzte er heraus und bereute augenblicklich, nach ihr zu fragen statt nach dem Grund für den unverkennbar beunruhigten Ton, den er heraushörte.
    »Ihr fehlt nichts«, sagte Susan langsam. »Sieht zumindest so aus, aber sie hat tatsächlich Probleme mit einem Kerl, wie Sie vermutet hatten. Jedenfalls glaube ich das. Sie wollte im Grunde nicht darüber reden.«
    Jedes Wort klang ängstlich, fast, als glaubte sie, jemand hörte mit.
    »Sie klingen unsicher«, sagte Scott.
    »Ich habe ein paar schwierige Tage hinter mir. Seit dem Treffen mit Ashley. Genauer gesagt, war das Wiedersehen das letzte Positive, was mir passiert ist.«
    »Was ist geschehen?«
    »Ich weiß nicht. Nichts. Alles. Ich kann es nicht sagen.«
    »Ich verstehe nicht. Wie meinen Sie das?«
    »Ich hatte einen Unfall.«
    »Oh, mein Gott«, rief Scott. »Das ist ja furchtbar. Ist Ihnen was passiert?«
    »Nein, ich hatte nur einen Schock. Mein Wagen hat einiges abbekommen. Aber meine Knochen sind noch heil. Eine leichteGehirnerschütterung. Ich habe eine große Schwiele quer über der Brust, und es fühlt sich so an, als wären meine Rippen gequetscht. Aber abgesehen von ein paar Schürfwunden bin ich nur ein bisschen desorientiert. Sonst fehlt mir, glaube ich, nichts.«
    »Aber was …«
    »Das rechte Vorderrad ist abgesprungen. Ich fuhr mit fast hundertzwanzig Stundenkilometern, vielleicht auch etwas mehr, vielleicht eher hundertvierzig, und das Vorderrad hat sich gelöst. Eigentlich habe ich unglaubliches Glück gehabt, weil ich merkte, dass der Wagen zu schlingern und zu flattern begann, also trat ich fest auf die Bremse und war schon sehr viel langsamer, als das Rad ganz abging. Dann hab ich die Kontrolle verloren.«
    »Mein Gott …«
    »Es hat sich alles im Kreis gedreht, und da war dieser Lärm. Es war, als würde mir jemand ins Ohr brüllen, und ich war wie elektrisiert, weil ich wusste,

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