Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel der Seherin

Das Orakel der Seherin

Titel: Das Orakel der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
geworfen. Während ich der blutigen Masse dort unten immer näher komme, kann ich nur beten, daß ich im tiefen Teil des Beckens landen werde.
    Als ich aufschlage, sind meine Arme und Beine so weit ausgebreitet wie möglich. Ich gehe davon aus, daß diese Haltung meinen Fall ein wenig abbremsen kann. Aber noch bevor ich aufkomme, weiß ich, daß es nicht reichen wird, mich zu schützen.
    Der Aufprall ist entsetzlich. Ich sehe einen roten Blitz, und dann durchfährt ein Schmerz meinen Körper, der so unerträglich ist, daß ich das Bewußtsein verliere. Doch schon nach kurzer Zeit komme ich wieder zu mir. Als ich aufwache, liege ich mit dem Gesicht auf dem Boden des Pools. Tatsächlich habe ich den Beton gesprengt – und die Hälfte aller Knochen in meinem Körper.
    Meine Nase scheint nicht mehr zu existieren, mein Gesicht ist nur noch eine breiige Masse. In meinem Mund spüre ich unzählige Zahnsplitter. In meiner Brust scheinen sich die Rippen durch meine Lunge und mein T-Shirt gebohrt zu haben, so daß jetzt auch mein Blut den Pool rot färbt.
    Ich glaube nicht, daß ich es diesmal überstehe.
    Besonders nicht neun Fuß unter der Wasseroberfläche.
    Die Körper der Toten treiben über mir, ihre ausdruckslosen Gesichter scheinen mich einzuladen, ihnen Gesellschaft zu leisten. Das Wasser ist voll von Geschöpfen, die aus einem Alptraum zu stammen scheinen. Einer meiner schwarzen Schuhe treibt vorüber. Meine Socke, blutrot gefärbt, steckt noch darin. Mein Rückgrat scheint von Dämonen des Schmerzes bearbeitet zu werden. Ich übergebe mich ins Wasser und erbreche Zähne und Blut, die sich in einer diffusen Wolke über mir sammeln. Ich spüre, daß ich nahe daran bin, wieder das Bewußtsein zu verlieren, und ich weiß, daß ich niemals mehr erwachen werde, wenn ich das tue. Doch meine Augen weigern sich, offen zu bleiben. Auch sie sind gebrochen. Ich schließe sie und sinke noch tiefer in die Dunkelheit hinein.
    Krishna. Gib mir noch eine Chance. Das ist alles, worum ich dich bitte.
    Um sie aufzuhalten. Und das Kind zu retten.
    Mein Herz schlägt weiter. Und auch die Schmerzen halten an.
    Durch den Schmerz verstreicht die Zeit in einem anderen Tempo. Ich leide wie schon so viele vor mir. Und Leiden bringt Einsicht. Schließlich begreife ich, daß Kalika nicht durch Gewehre und Kugeln aufgehalten werden kann. Mehr als zwanzig Leute mußten sterben, damit ich dies begriffen habe.
    Doch eines werde ich niemals verstehen: Warum sie so grausam ist.
    »Aber niemand, der durch den Schleier des Maya blickt, kann den göttlichen Willen ermessen. Der Schleier ist befleckt, doch das Absolute ist ohne Makel.
    Eines kann das andere nicht enthüllen. Und obwohl ich deine Tochter bin, gelingt es auch dir nicht, mich zu ermessen.«
    Egal, wie viele noch sterben müssen, ich werde es nicht verstehen.
    In der Ferne spüre ich hektische Aktivität. Dann begreife ich, daß sie aus meinem Inneren kommt, aus meinen Muskeln, meinen Venen, meinen Gliedern.
    Mein Körper versucht sich selbst zu heilen. Unter meinem Shirt fühle ich, wie sich mein Rückgrat wieder zusammenfügt. Dann höre ich es in meinen Beinen knacken. Meine Knochen wachsen wieder zusammen. Mein Kiefer kontrahiert, und ich spüre, wie neue Zähne nachwachsen und die alten, zerstörten ersetzen.
    Schließlich gelingt es mir, die Augen wieder zu öffnen, und ich stoße mich leicht ab, um an die Oberfläche zu gelangen. Mein Herz schlägt in einem wahnsinnigen Tempo. Die Regeneration meines Körpers erfordert unmäßige Kraft, und wenn ich nicht bald einatme, wird etwas in meiner Brust explodieren.
    Die Nachtluft fühlt sich gut an. Ich habe sie nie mehr genossen als in diesen Augenblicken.
    Nachdem ich an die Oberfläche gelangt bin, lasse ich mich gut eine Minute lang auf dem Rücken treiben. Dann habe ich genug Kräfte gesammelt, um an den Rand des Pools zu schwimmen. Eine Menschenmenge hat sich angesammelt, und einige der Leute sind Cops. Schreie ertönen, als ich beginne, mich aus dem Pool zu ziehen. Dann kommt mir ein Polizist zu Hilfe. Er ist dick und hat einen buschigen Schnäuzer. Vorsichtig wickelt er mich in eine Decke ein.
    »Alles wird wieder gut werden«, sagt er. »Legen Sie sich einfach auf den Rücken und versuchen Sie, sich nicht zu bewegen. Möglicherweise haben Sie sich etwas gebrochen.«
    Ich wische das Blut von meinem Gesicht. Ich weiß, daß mir nicht viel Zeit bleibt.
    »Du hast noch Freunde in dem anderen Gebäude, Alisa!«
    »Nein, mir geht’s

Weitere Kostenlose Bücher