Das Orakel von Antara
geweiht durch den Spruch des Gottes und das Blut deiner Mutter!“ sagte er mit belegter Stimme. Doch dann strafften sich seine Schultern und er hielt Yorn die Waffe hin. „Trage es in Ehren seiner Bestimmung entgegen. Möge es dir helfen, den Fluch von deinem Volk zu nehmen!“
Mit ehrfürchtiger Scheu nahm Yorn das Schwert entgegen und betrachtete es. Ein Schauder überlief ihn, als er daran dachte, welchen furchtbaren Liebesdienst es zuletzt erfüllt hatte. Ein heißes Gefühl der Trauer und Dankbarkeit überfiel ihn bei dem Gedanken an die nie gekannte Mutter. Doch dann riss er sich von dem Anblick los und gürtete das Schwert.
„Ich danke dir, Nith!“ sagte er. „Mit diesem Schwert gabst du mir nicht nur ein Geschenk Saadhs und eine vorzügliche Waffe, sondern auch ein kostbares Andenken an meine Eltern. Ich werde mich daher stets bemühen, die Hand meines Vaters, die es führte, und das Blut meiner Mutter, das seine Klinge rötete, in ihm zu ehren. Und da der Gott mich auswählte, den Kampf zu führen, wird er mir auch die Kraft verleihen, ihn zu bestehen. Ich hoffe, dass ich zur rechten Zeit diese Kraft auch in mir finden werde. Heute jedoch muss ich gestehen, dass ich noch keinen Weg sehe, all die Hindernisse zu überwinden, die vor der Freiheit unseres Volkes liegen. Doch ich vertraue auf die Götter und die Treue meiner Freunde. Möge Saadh uns leiten und behüten!“
„Ich werde jeden Tag vor seinem Bildnis für euch beten“, antwortete Nith. „Doch nun solltet ihr noch ein wenig das Fest genießen, bevor ihr im Morgengrauen aufbrecht. Alles steht für eure Reise bereit, und ich habe für alles gesorgt, was mir für diese Fahrt nötig erschien. Zwar ist hier bei uns der Winter bald zu Ende, aber dort, wo ihr hingeht, endet er nie. Selbst wenn bei uns im Mittsommer die Sonne heiß herniederbrennt, dringt dort keine ihrer Strahlen durch die grauen Nebel, die das Land in stetes Dämmerlicht tauchen. Seltsame Geschöpfe birgt dieser Nebel, und nur wenig Kunde gibt es über sie. Und es geschehen gefährliche Dinge in diesem Land. Plötzlich klaffte der Boden auf und gibt den schaudernden Blick frei in Gors glühendes Reich, turmhoch schießt kochendes Wasser unverhofft vor den Füßen auf und verbrüht alles Leben, wo es niederfällt. Giftige Dämpfe lagern in Senken und bringen heimtückisch den Tod, ehe man sie gewahrt. Und über allem liegt schneidende Kälte, die dem ungeschützten Körper in kürzester Zeit jeden warmen Hauch entzieht. Wenn ihr jenes Land erreicht, müsst ihr jeden eurer Schritte sorgsam wägen, denn schon der nächste kann Verderben bringen. Doch nach der Karte braucht ihr nicht sehr tief in dieses Land einzudringen, denn der erstarrte Wasserfall liegt nur wenige Ken im Landesinneren. Mehr kann ich euch nicht über das berichten, was euch dort erwartet, denn das ist alles, was ich weiß. Doch ich denke, dass ich euch alles in euer Gepäck tat, was euch von Nutzen sein kann. Doch nun geht und freut euch noch eine Weile im Kreise eurer Freunde, die ihr dann für lange Zeit entbehren müsst.“
Yorn, Reven und Kandon folgten seinem Rat, doch die Fröhlichkeit der Niveder war überdeckt durch die Sorge um die drei Männer, und so endete das Fest früher als gewöhnlich.
Am nächsten Morgen brachen die drei Freunde in aller Frühe auf. Der ganze Stamm war versammelt, um die Männer zu verabschieden, an denen die letzte Hoffnung des Volkes hing. Ausgestattet mit warmer Pelzkleidung und versehen mit vorzüglichen Waffen bestiegen die drei die besten Pferde des Stammes. Zwei weitere Tiere waren mit Proviant, Decken, einem kleinen Zelt sowie weiterer Ausrüstung beladen. Da trat Nith durch den Kreis der Umstehenden. An seiner Seite lief Wynn, sein großer, schwarzer Hund, dem man seine wölfischen Vorfahren deutlich ansah. Die drei Freunde liebten Wynn, denn Nith hatte ihnen oft gestattet, das Tier auf die Jagd mitzunehmen. Am meisten jedoch war der Hund Kandon zugetan, der überhaupt ein besonderes Verhältnis zu Tieren zu haben schien.
„Ich möchte, dass ihr Wynn auf eure Reise mitnehmt“, sagte Nith. „Er ist klug und stark und mag euch vielleicht von Nutzen sein. Ich vertraue ihn dir an, Kandon, denn ich weiß, dass du das Tier wie ich liebst und es dir folgt wie mir. Achte gut auf ihn, denn du weißt, mein Herz hängt an Wynn!“
„Ich danke dir für deine Gabe und dein Vertrauen, Nith“, antwortete Kandon erfreut. „Im Stillen hatte ich mir
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