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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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schien ihre Gegenwart zu spüren, denn sie drehte sich in den Armen ihres Geliebten und warf einen ängstlichen Blick zum Höhleneingang. Ihre Augen weiteten sich und auf ihr Gesicht trat ein erschrockener Ausdruck.
    Mutter?
Keine Frage, das war sie. Und das hieß, dass der Mann mit dem Rücken zu Maura …
    Bevor Maura versuchen konnte, einen Blick auf Vaylen zu erhaschen, riss ihre Mutter sich aus der Umarmung los und stürzte auf sie zu. “Geh! Das ist es nicht, was du suchst!”
    Es stimmte, sie war nicht losgeschickt worden, um das hier zu entdecken, aber es war etwas, worauf sie ihr ganzes Leben lang entsetzlich neugierig war. Maura versuchte an ihrer Mutter vorbei einen Blick auf den Mann zu werfen, als er sich zu ihr umdrehte.
    “Nein!” Ihre Mutter stieß sie zurück und noch tiefer in den Brunnen ihrer Erinnerungen hinab.
    Schneller und schneller löste ein Bild das andere ab, als sie in Ereignisse aus den Leben ihrer Ahninnen eindrang. Es ähnelte dem, was sie bei Langbards Sterberitual erlebt hatte, nur war alles noch schneller und intensiver. Ungeahntes Wissen, das in ihr geschlummert hatte, erwachte zum Leben. Maura musste kämpfen, um ihm in sich Platz zu machen. Bruchstücke von Zaubersprüchen und Überlieferungen, die Langbard sie nie gelehrt hatte, wurden jetzt ihr geistiges Eigentum, auf das sie zurückgreifen konnte.
    Sie hätte gerne Zeit gehabt, alles viel langsamer in sich aufzunehmen, doch eine starke Kraft, die sich ihrer Kontrolle entzog, riss sie immer tiefer.
    “Also ist am Ende doch eine gekommen.” Mit diesen Worten, die gedämpft im Raum widerhallten, streckte eine elegant gekleidete Frau die Hand nach Maura aus. Auf dicken schwarzen Locken saß der geschnitzte Elfenbeinreif, den Maura bei ihrer Krönungszeremonie getragen hatte. “Abrielle?”
    Die Frau nickte. Sie war keine große Schönheit, ihr Gesicht war das einer starken Herrscherin, die durch harte Entbehrungen Mut und Weisheit gelernt hatte.
    “Komm, Tochter. Du hast nicht viel Zeit.” Sie bedeutete Maura, ihr zu folgen. “Und die Not muss groß sein, da du diese Suche auf dich genommen hast, mich zu finden.”
    Maura folgte der lang verstorbenen Königin durch Gänge und Gemächer einer Burg, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, obwohl ihr alles quälend vertraut erschien. Sie schritten eine steile Treppe hinab und liefen durch eine lange, düstere Halle. Zuletzt öffnete Abrielle eine verborgene Tür und führte Maura durch einen engen Gang in einen kellerähnlichen Raum voller hoher, glatter Säulen. Oder war es ein kleiner Wald aus hoch aufragenden Bäumen?
    Plötzlich erschien Velorkens Stab vor ihr. Er war groß wie ein Mann. In den Schaft aus gelblich braunem Holz waren alte Symbole geschnitzt, ähnlich denen auf Delyons Schriftrolle. Als Knauf diente ein Falkenkopf aus Elfenbein, der so vollendet geschnitzt war, dass Maura jeden Moment damit rechnete, die funkelnden Augen würden zu zwinkern beginnen und der Schnabel sich öffnen, um einen schrillen, durchdringenden Schrei auszustoßen.
    Abrielle hielt Maura den Stab hin. “Sorge dafür, dass er umsichtig angewendet wird, meine Tochter. Wünsche können etwas Mächtiges und sehr Gefährliches sein.”
    Als sie nach dem Stab griff, fühlte Maura sich davongetragen, über Meilen und Jahre und Leben hinweg. Sie hörte eine Stimme ihren Namen rufen.
    “Könnt Ihr mich hören, Maura?” Jedes Wort klang immer lauter, kam näher, wurde deutlicher. Und besorgter. “Habt Ihr irgendetwas gefunden, Maura? Vielleicht solltet Ihr besser zurückkommen … wenn Ihr könnt.”
    Der gestampfte Erdboden unter ihr fühlte sich hart und kalt an. Ihr Herzschlag ging schwach, aber gleichmäßig. Sie atmete tief die modrige Kellerluft ein. Ihre Lider flatterten und dann sah sie Delyons angstvoll verzerrtes Gesicht.
    Sie flüsterte seinen Namen.
    “Dem Allgeber sei Dank!” Delyon stieß einen tiefen Seufzer aus. “Ihr lagt so lange ganz still da, dass ich fürchtete, Ihr könntet … War es so, wie ich gesagt habe? Habt Ihr diese vergrabenen Erinnerungen hervorholen können? Habt Ihr herausgefunden, wo der Stab verborgen ist?”
    “Ich … ich glaube.” Es brauchte eine große Willensanstrengung, ihren Mund dazu zu bringen, die Worte zu formen. “Ich sah ihn. Tief unter … der Burg. In einem Wäldchen aus hohen Bäumen.”
    All die neu erwachten Erinnerungen wirbelten in Mauras Kopf herum und behinderten ihr Denken. Ihr Kopf fühlte sich an, als müsste er platzen, weil

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