Das Paradies der Damen - 11
essen. Was die geplante Partie nach Rambouillet betraf, so erklärte sie einfach, für Albert schicke es sich nicht, die Damen zu begleiten, und auch der Vater täte besser daran, daheimzubleiben. Den beiden Männern war dieser Bescheid ganz recht.
»Sie wollen Sie ärgern, nicht wahr?« fragte Pauline eines Morgens. »Ich an Ihrer Stelle würde mich schadlos halten. Wollen die andern sich unterhalten, so würde ich es ebenfalls tun. Begleiten Sie uns nächsten Sonntag; Baugé fährt mit mir nach Joinville.«
»Nein, danke«, erwiderte das Mädchen freundlich, aber bestimmt.
»Warum denn nicht? Haben Sie noch immer Angst, daß Sie jemand vergewaltigt?«
Pauline lachte gutmütig. Auch Denise lächelte jetzt, sie wußte recht gut, wie es dann kam; alle diese Mädchen hatten ihre Liebhaber auf solchen Landpartien gefunden, und sie wollte eben nicht.
»Ich verspreche Ihnen«, fuhr Pauline fort, »daß Baugé niemanden mitbringen wird, nur wir drei werden dabei sein. Ich will Sie nicht verkuppeln, wenn es Ihnen so gegen den Strich geht.«
Denise zögerte noch immer, obwohl sie von einem solchen Verlangen erfüllt war, daß ihr das Blut in die Wangen stieg. Seit ihre Kolleginnen des langen und breiten von ihren ländlichen Vergnügungen sprachen, starb sie fast vor Sehnsucht nach freier Luft, sie träumte von Wiesen mit hohem Gras, in dem sie Spazierengehen würde, von riesigen Bäumen, deren Schatten auf sie herabrieseln würde wie kühles Wasser. Ihre ganze Kindheit, die sie in dem satten Grün des Cotentin zugebracht hatte, erwachte wieder in ihrer Erinnerung.
»Gut, ich gehe mit«, sagte sie endlich.
Alles wurde geregelt. Baugé sollte die Damen um acht Uhr auf der Place Gaillon abholen; von da wollte man mit einer Droschke zum Vincenner Bahnhof fahren. Denise, deren fünfundzwanzig Franken Monatsgehalt von den beiden Brüdern aufgezehrt wurden, konnte für ihre Toilette nichts weiter tun, als ihr altes Wollkleidchen mit Schrägstreifen aus kariertem Popeline etwas aufzuputzen; einen Hut, mit Seide bezogen und einem blauen Band verziert, hatte sie sich selber zurechtgemacht. Sie sah in dieser Schlichtheit sehr jugendlich aus, wie ein zu rasch in die Höhe geschossenes Kind, einfach, aber sauber, ein wenig verlegen unter der überquellenden Flut ihrer Haare, die unter ihrem dürftigen Hütchen kaum Platz fanden. Pauline hingegen glänzte in einem prächtigen seidenen Frühjahrskleid mit violetten und weißen Streifen, einem federgeschmückten Hut, mit Schmuck an Hals und Armen, kurz, im ganzen Reichtum einer wohlgestellten Kaufmannsfrau.
»Da ist Baugé«, sagte sie zur vereinbarten Stunde und zeigte auf einen großen jungen Mann, der neben dem Brunnen auf der Place Gaillon stand.
Sie stellte ihren Geliebten vor, und Denise fand ihn sehr nett. Baugé war groß und kräftig, mit einem langen Flamengesicht, aus dem zwei tiefliegende Augen mit kindlicher Einfalt hervorlachten. Er war als der jüngere Sohn eines Gewürzkrämers in Dünkirchen geboren und nach Paris gekommen, weil sein Vater und sein älterer Bruder, die ihn sehr dumm fanden, ihn sozusagen davongejagt hatten. Im »Bon-Marché« verdiente er jetzt jahrlich seine viereinhalbtausend Franken; er war wohl dumm, aber für den Leinenverkauf sehr gut zu gebrauchen.
»Wo ist die Droschke?« fragte Pauline.
Sie mußten bis zum Boulevard gehen. Die Sonne schien schon recht warm, ein schöner Maimorgen lachte auf das Pflaster herab, nicht das geringste Wölkchen trübte den Himmel, die durchsichtige blaue Luft war wie von Heiterkeit erfüllt. Ein behagliches Lächeln umspielte die Lippen Denises, sie atmete tief, es schien ihr, als weiche die ganze Beklemmung der letzten sechs Monate von ihr. Endlich hatte sie einen ganzen Tag vor sich, den sie auf dem Land zubringen durfte! Das war wie ein neues Leben, eine unendliche Freude.
Sie stiegen in die wartende Droschke, und Denise blickte verlegen zum Fenster hinaus, als sie sah, wie Pauline, kaum daß sie saßen, sich zu ihrem Liebhaber neigte und ihn herzhaft küßte.
»Sieh an«, rief mit einemmal Denise, »dort drüben geht Herr Lhomme. Und wie er sich beeilt!«
»Er hat sein Hörn bei sich«, fügte Pauline hinzu, die sich neben ihr zum Fenster hinausgebeugt hatte. »Ist das ein alter Narr! Man sollte glauben, er liefe zu einem Stelldichein!«
In der Tat sah man Lhomme mit seinem Instrument unter dem Arm vergnügt dahineilen, als freue er sich schon im voraus an den zu erwartenden Genüssen. Er wollte den
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