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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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wenn ich gehe, aber sie hat die Haare in den Wind gegeben. Das sei unnötig, eine Kette von Leben binde uns aneinander, ihr Seelenfreund sei ich schon immer gewesen. Ich wusste nichts von diesen anderen Leben und nichts von einer Seele.
     
    Kabua sang und rasselte, ein Lied für die Meergötter, dachte ich, die Geister des tiefen Wassers, deswegen sang ich mit ihm, aber nicht die Geister lockte das Lied, sondern einen Hai, den größten Fisch, den ich jemals gesehen habe, stark und böse. Er umkreiste das Boot, kam näher, klappte das Maul auf, nicht eine Reihe Zähne, sondern sechs oder sieben. Kabua wird mich dem Fisch opfern, dachte ich, ein Ritual des Todes, und wurde ganz ruhig und erinnerte mich an alles von Beginn an, an meine Eltern, sogar an meinen Bruder. Seltsam, dass wir beide im Wasser enden würden, und gleichzeitig versöhnlich. Ich wartete, dass Kabua mich vom Boot stieß, während die Rückenflosse des Fisches durchs Wasser schnitt wie eine Sense, aber Kabua warf ihm eine Schlinge über den Kopf. Das Tier fing an zu toben, lautlos und wütend, die Schwanzflosse schlug auf die Stangen des Auslegers, Holz splitterte, das Maul verbiss sich in den Rand des Bootes, Haiaugen starrten mich an, seine Zähne verfehlten mich, der Kopf streifte meinen Arm. Die Haut war wie Bimsstein. Ich blutete davon. Immer rasender wurde der Fisch, er war sicher drei Meter lang, auch Kabua blutete, die Schlinge schnitt ihm in die Hand. Ich rief, er solle den Hai freilassen, aber er verstand nicht oder wollte nicht verstehen. Der Fisch warf sich gegen das Boot, das fast kippte, während Kabua zog, ich schrie, die Flosse peitschte das Meer, Wasser schäumte, bis er schließlich den Hai ins Boot hievte, sodass es schwankte und beinahe kenterte, doch der Hai starb nicht, sondern zerbiss noch ein Ruder, schleuderte den Kopf umher, schnappte nach meinem Fuß, und endlich verstand ich Kabua, nahm den Prügel und schlug dem Tier auf den Schädel, der hart war wie Stein, sodass ich nichts bewirkte, wenigstens am Anfang, ich musste immer wieder schlagen, bis er ein wenig ruhiger wurde und Blut aus den Augen trat, die immer noch böse waren, aber das reichte nicht, der Körper bäumte sich wieder auf und sprang um ein Haar wieder ins Wasser und hätte uns mitgerissen, deswegen schlug ich weiter und schlug, bis der Hai auch aus dem Maul blutete, und schlug, bis mir der Arm schwer wurde und der Schädel weicher, nicht mehr wie Stein war er, sondern ein Ledersack, ich schlug, bis das Tier sich nicht mehr bewegte, und schlug, damit es sich nie wieder bewegen würde, und schlug, bis ich Blasen bekam an der Hand, und schlug weiter, und Walter, sage jetzt nicht, es war eine Notsituation oder ich wurde gezwungen oder dass ich mein Leben retten musste, denn all das stimmt nicht, oder wenn es stimmt, ist es egal, denn das Schlimmste war: Es war das größte Vergnügen, das ich seit Langem empfunden habe. Eine rote und tierische Freude war in mir. Sie ist auch jetzt da, wenn ich daran denke, und gleichzeitig Ekel. Ich widere mich an. Ein Wilder wollte ich werden, aber anders, ein besserer Mensch, nicht das, was ich wurde. Vielleicht überkommt mich die Mordgier gleich wieder. Vielleicht erschlage ich die Fliege, die sich gerade hier auf dem Brief niederlässt. Vielleicht angle ich Fische und fresse sie roh. Die Welt selbst spürt, dass etwas passiert ist. Keine Schildkröten mehr im Meer, wenn ich schwimme. Keine Fische. Das Wasser ist leer. Seekühe flüchten, die sonst mit mir spielten. Kein Klappern der Scheren der Krebse in der Nacht. Selbst die Rufe der Vögel sind ferner. Sie haben Angst vor mir und ich habe es selber.
    Viel Zeit verbringe ich immer wieder mit einem Missionar. Er lebt auf einer der Nachbarinseln. Du würdest ihn auch mögen, die Statur eines Schmieds, Bauernhände, der Geist einfach und klar. Von der Religion redet er selten, und nie, um einen zu überzeugen. Er ist schon lange hier und kennt die Wilden. Je länger man hier ist, umso weißer wird man, sagt er. Christus ist in seinen Predigten an die Wilden das Schwein Gottes, Lämmer kennen sie hier nicht, das gefällt mir, das Schwein Gottes, zu Hause schmeißen sie dich dafür ins Gefängnis, hier predigen sie es von der Kanzel, die aus Palmenstämmen geschnitzt ist. Etwas weiter wohnt ein Angestellter der Compagnie. Er hat ein Grammophon und einige Abende haben wir auf seiner Insel verbracht und Schubert gehört, Beethoven und Bach, aber er wird bald wieder nach

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