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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Arm hoch. Nein, den rechten, habe ich gesagt, ja, und jetzt still. Es ist ein Bild der Trauer, hatte Fidus gesagt, trotz der Sonne und der Nacktheit, zwischen euch ist ein Sehnen, das niemals erfüllt wird. Ein Maler malt nicht, was die Leute sehen, sonst ist er kein Maler, sondern er malt, was tatsächlich ist. Er schaut die verworrenen Wurzeln des Daseins. Deswegen ist die Malerei die höchste der Künste.
    Er hatte Fidus die Fabeln ausgeliehen und der hatte das Bild darin vergessen oder es ihm geschenkt. Engelhardt betrachtete es lange. Damals hatte er die Trauer nicht erkannt, sondern gedacht, Fidus nehme sich ein wenig zu wichtig, schließlich war es Sommer. Heiß war es und licht, und alle waren sie jung und schön und noch am Anfang. Jetzt sah er sie.
     
    Regen fiel immer seltener, ein kurzer Guss noch am Morgen, man wurde nicht einmal richtig nass dabei, so fein waren die Tropfen und so warm, dass sie direkt auf der Haut verdunsteten, und irgendwann hörte er ganz auf, ohne dass man es merkte, und Engelhardt musste im Tagebuch nachschlagen, um festzustellen, dass es schon seit vier Wochen trocken war. Die schönste Zeit war gekommen. Max genas langsam. Hin und wieder kam noch der Zauberer, streute ein paar Kräuter in den Wind, betastete den Schädel, nickte zufrieden, trank eine halbe Kokosnuss und kippte die andere Hälfte über den Musiker.
    Bevor Max wieder sprach, sang er einige Wochen lang kleine Melodien, trug Kirchenchoräle vor, eine Stimme nach der anderen, trällerte Schlager, pfiff Arien, summte Wiegenlieder, stimmte Duette an und wartete erstaunt auf die Antwort, er jodelte, brummte, stöhnte, winselte, imitierte Klavier, Geige und Orgel, tänzelte über den Strand, dirigierte unsichtbare Orchester. Stundenlang drehte er die Kurbel des Grammophons. Bach hatte es ihnen gelassen, der Musiker braucht das viel dringender als ich, und wenn ich Sehnsucht bekomme, schaue ich bei Ihnen vorbei, aber passen Sie mir auf den Schubert auf, hören Sie, der ist mir heilig. Max hörte das gleiche Stück zwanzig Mal hintereinander, wenn Engelhardt ihm nicht die Platte umdrehte, zwanzig Mal oder dreißig und jedes Mal mit der gleichen neuen Begeisterung, Augen geschlossen, Kopf leicht ins Schallrohr geneigt, gleich kriecht er rein, sagte Bach, als er das sah, passen Sie auf, wenn er erst einmal drin ist, kriegen Sie ihn nicht wieder raus. Max war wahllos und glücklich, solange der Teller sich drehte. Die Nadeln waren längst stumpf geworden und Engelhardt schliff sie mit Muscheln nach. Beim Schwimmen musste er besonders auf den Freund aufpassen, denn der tauchte gerne und beobachtete Fische und vergaß dabei, wieder nach oben zu kommen. Engelhardt las ihm viel vor, pflückte die besten Nüsse für Max, die reifsten Früchte, ließ ihn mit Kabua gehen, damit er eine Nacht bei den Wilden verbrachte und deren Gesänge hören konnte. Als Max anfing zu sprechen, wusste er nichts, nicht einmal seinen Namen, nicht seinen Beruf, nicht, warum er auf dieser Insel war. Engelhardt überlegte, in den leeren Kopf neue Erinnerungen einzupflanzen. Er könnte erzählen, dass sie schon immer hier lebten, Max würde es glauben, er war arglos wie ein Kind, die Kokospalme war ihre Mutter, der Vater das Meer, wie in den Geschichten der Wilden. Dass er sein Bruder wäre, warum nicht, sie lebten wie Brüder, wie gute Brüder, die sich liebten und nicht gegeneinander kämpfen mussten und keiner würde im Wasser versinken, Abel und Abel, die Zwillingsseelen, geliebt von der Sonne, das könnte er sagen. Dass es keine Welt gibt außerhalb dieser Insel. Dass alles, was einmal war, untergegangen ist und nur sie und ein paar andere überlebt haben. Untergegangen an ihrem Dreck, ihrer Technik, dem Lärm, den verlogenen Träumen. Dass Gott sie auserwählt hat wie Noah, obwohl, die Geschichte mit der Arche kennt Max nicht mehr, die muss er nicht bemühen. Alles würde er ihm sagen können, ein leeres Buch ist sein Schädel, er könnte ihn beschreiben. Er könnte ihm eine goldene Vergangenheit malen. Liebende Eltern, sorgende Schwestern, Lehrer voller Verständnis. Er könnte ihn reich machen oder bettelarm. Ihm sagen, dass er gesucht werde als Verbrecher, als Mörder, und er nur auf dieser Insel sicher sei. Er könnte ihn zum Sklaven machen. Du schuldest mir hunderttausend Mark und musst sie abarbeiten. Er könnte einen gefallenen Mönch aus ihm machen. Dein Orden hat dich verstoßen, weil du eine Dreizehnjährige geschwängert hast. Ein Opfer

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