Das Paradies des August Engelhardt
ein Wort, es gibt keinen Weg, es gibt nur ein Zögern, wohin mit der Nuss in seiner Hand? Aber es ist schon so unendlich spät und er selbst müde, soll Judas sehen, wo er bleibt, mit drei Küssen wird er ihn verraten, Zeit zu schlafen, ihn ruft seine Kuhle im Sand.
Am nächsten Morgen war alles ganz leicht. Die Sonne schien besonders duftig, das Meer umschmeichelte ihn, Max schlief noch im Sand, ein paar hundert Schritte weiter. Er ließ ihn schlafen, kein Grund, den Freund zu wecken. Die erste Papaya war leicht faulig, aber die nächste fest und doch reif, und der Geschmack explodierte im Mund. Ein Paradiesvogel schrie, aber der Musiker schlief. Engelhardt las ein paar Gedichte. Max schlief, auch als ein Schwarm Tauben über die Schalen der Früchte herfiel, schlief, als die Sonne stieg, als das Postschiff tutete, wieder abfuhr und einen Schwall Kohlengestank in der Luft ließ, Erinnerung an das Leben in Städten, schlief, als die Sonne am höchsten stand und selbst Engelhardt sich für ein paar Stunden in den Schatten der Palmen setzte, Max schlief zu lange. Schließlich versuchte er, ihn zu wecken, aber neben dem Freund lag eine Nuss im Sand, groß und schwer, und die Stirn war blutig und schwarz von kleinen Fliegen, ein Auge stand offen, aber er atmete, feucht und schwach und keuchend. Engelhardt sah nach oben zur Palme, die die Nuss auf Max geworfen hatte, sie wollte, dass er bleibt, die Palme selbst sorgte dafür, dass er blieb, trotzdem war ihm schlecht, er hatte Angst und wollte schreien, aber er schrie nicht, sondern öffnete die Nuss mit der Axt und goss dem Freund die Milch übers Gesicht, das würde ihn heilen, dachte er, aber auch eine Stunde später ging es ihm nicht besser, und den Kräutersud konnte er nicht schlucken, Max, Mensch, wach auf. Er hielt den Kopf in seinen Armen, so dünn war der Schädel der Menschen, er wiegte ihn in seinen Armen, froh, dass der Freund nicht zum Verräter wurde, alles wird gut Max, du bist kein Judas, alles wird gut, aber wie, wenn der sich kein bisschen rührte? Immer wieder die Fliegen, die er vertrieb, der röchelnde Atem, das Herz schlug noch, Anna hätte die passenden Mittel für ihn, ob Max jemals wieder aufwacht und ob er jetzt endlich die Astralmusik hört?
Ohne zu Zögern kam Kabua mit, obwohl Engelhardt seit Monaten nicht mehr mit ihm gesprochen hatte. Er war dabei, ein Opossum auszunehmen, legte das Messer zur Seite, wischte die Hände an einem Grasbüschel ab. Schweigend gingen sie durch den Wald, schweigend betrachtete der Häuptling den Kopf des Musikers, schweigend die Nuss, die neben ihm lag, schweigender Blick zu Engelhardt, der die Augen abwandte. Max wimmerte leise wie ein sterbendes Kind. Das Gesicht zog Fratzen, als Kabua mit den Fingerspitzen drüberfuhr. Ich frage den Zauberer, sagte er schließlich auf Deutsch, die Sprache klang schwer in seinem Mund, wie aus Messing. Er verschwand und Engelhardt blieb allein, verscheuchte Fliegen, es wurden mehr, noch nie hatte er auf seiner Insel so viele Fliegen gesehen, der Teufel war nah und grub nach der Seele des Freundes. Engelhardt flüsterte ihm Namen von Komponisten ins Ohr, Bach, nicht vergessen, Bach, den willst du wieder spielen, Mozart braucht dich, Kabakon oder der Sonnenorden, deine Oper, Max, die Musik der Wilden auf den großen Bühnen der Welt, zwei Fruchtesser auf der Suche nach Wahrheit, Max, aufwachen, du hast noch viel vor, aber der stöhnte nicht einmal mehr, das Herz schlug langsamer und widerwillig.
Kabua kam mit einem der Alten aus dem Dorf und drei jungen Männern. Sie setzten sich im Kreis um Max und begannen zu singen, mit geschlossenen Augen, wiegenden Oberkörpern. Dem Alten fehlte das linke Ohr, dicke Narbenwülste auf beiden Schultern, die Zähne abgeschliffen und rot vom Betel. Er gab den Rhythmus vor und die Melodie, eines der Lieder vielleicht, die Max kannte und das er notiert hatte, einen Faden aus Klängen fädelten sie ihm durchs Ohr, um ihn zu retten, doch plötzlich hob der Alte die Hand, und das Lied brach ab.
Mit einer Axt köpfte er die Nuss neben Max, wusch sich die Hände mit dem Kokoswasser, nahm einen Stein und schärfte damit einen Haifischzahn mit langsamen Bewegungen, sehr gründlich und geduldig, hielt ihn immer wieder ins Licht, strich weiter über den Zahn, steckte ihn in den Mund, probierte ihn mit der Zunge, schliff weiter, nickte schließlich befriedigt zu einem der Männer, der den Kopf von Max hielt, während der Alte mit einem einzigen Schnitt
Weitere Kostenlose Bücher