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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Meister!«
    »Das ist sicher nicht, was er sein will.«
    »Aber das muss er werden. Das sind dreißig Leute, die wollen einen, der ihnen sagt, was sie tun sollen, und wenn er sich verweigert, wird ein anderer das übernehmen.« Hahl hustete wieder, wandte dabei sein Gesicht ab, würgte kurz.
    »Haben Sie ein Auge auf Kabakon, Pater, das bitte ich Sie.« Pater Joseph nickte, ging und tätschelte im Garten der Tochter des Gouverneurs über das Kraushaar. Ein hübsches Kind, das der genauso zurücklassen würde wie seine schwarze Frau. Was sollte er mit der in Nürnberg beim Gottesdienst in der Sebalduskirche? Auf dem Weg zum Markt in der Weißgerbergasse? Sie teilten Tisch und Bett, und am Ende würde nur der Schmerz bleiben.
    Im Garten des Deutschen Hofes saß eine Gruppe in Leinenkleidern und diskutierte.
    »Wir sollten uns dagegen auflehnen. Jetzt und hier. Wir sind nicht mehr in Deutschland.«
    »Es ist eine Frechheit von diesem Krawattenaffen.«
    »Eine Unverschämtheit. Preußischer Sturkopf von Gouverneur.«
    »Stellt euch doch nicht so an, es ist doch nur für ein paar Tage.«
    »Das ist egal, ein paar Tage sind schon zu viel; ich will hier nicht in Kleider gezwungen werden, weil Nacktheit unanständigist. Dabei sind doch Korsettläden das Schweinischste und Unsittlichste, was sich denken lässt, und jede Frau, die eines trägt, eine Hure.«
    »Falsch. Noch unanst…«, leichtes Stottern, neuer Ansatz. »Unanständiger ist die Badehose, weil sie mit Gewalt den Blick auf gewisse Stellen lenkt und mit Fingern auf sie zeigt, als ob etwas Heimliches versteckt wird. Nichts entsittlicht den Menschen so sehr wie die Badehose.« Der Sprecher hob seinen Kopf, sah stolz in die Runde, ein Junge, nicht älter als neunzehn, roter Ausschlag unter der Nase, wie hingerotzt.
    »Aber bald sind wir beim Meister und gehen ohne falsche Scham.«
    Pater Joseph begrüßte sie, und einen Augenblick lang war es still, während sie ihn musterten, die Segelhose, Stoffschuhe, das zerschlissene Hemd und das Holzkreuz um den Hals.
    »Kreuze haben wir abgelegt«, sagte der Junge, »hier trägt keiner ein Kreuz. Wir sind die Vorhut einer neuen Epoche. Wir sind Übergangsmenschen auf dem Weg in das Licht, die wahren Aristokraten des Körpers auf Pilgerfahrt.«
    »Amen«, sagte Pater Joseph und machte sich auf die Suche nach Schwester Theodora, die in ihrem Zimmer vor einem Bildnis der Muttergottes kniete. Sie war ein Bauernmädchen mit dem zufriedenen Gesichtsausdruck einer frisch gemolkenen Kuh und dem Geruch nach Sauermilch. Er gab ihr höchstens zweieinhalb Jahre, seufzte bei dem Gedanken, ihr Grab auszuheben, die vierte Schwester, die er beerdigen würde, schob sich aber ein Lächeln ins Gesicht, als sie ihn erschrocken ansah, und gab ihr die Hand, willkommen in Neuguinea, Schwester Theodora. Sie schwatzte wahllos vor sich hin und erzählte von ihren Eltern, dem Pfarrer im Dorf und ihren Lieblingsstellen in der Bibel, während sie ihren Koffer packte. Plapperte von dem fürchterlichen Wetter bei der Überfahrt in der Nähe von Gibraltar, als sie die Treppen hinunterstiegen, tagelang hatte sie gedacht, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, aber dann habe der Herr sie schließlich erhört, aber noch schlimmer als die Wellen seien diese seltsamen Menschen an Bord gewesen, mit denen man kein vernünftiges Wort habe reden können, zumindest kein anständiges, weil sie sündig waren wie Teufel und tagelang in den Beibooten lagen, vor den Blicken der anderen nur halbwegs geschützt und so, wie Gott sie geschaffen habe. Jedes Mal habe sie ein Kreuz geschlagen, wenn sie daran vorbeigekommen sei, wirklich jedes Mal, und sie habe viele Kreuze geschlagen in den vergangenen Monaten.
    Sie gingen durch den Garten zur Straße, während Theodora erzählte, dass diese Menschen manches Mal nachts so laut geworden waren, dass auch das Wachs in den Ohren und der Rosenkranz nicht mehr geholfen hatten, und sie glücklich sei, mit ihm auf die Insel zu kommen, wo die Wilden die frohe Botschaft empfangen würden, denn die waren ja echte Heiden, während die mit den Leinenkleidern ja doch nur Ketzer seien, die bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren würden, apropos Hölle, ob es hier eigentlich immer so heiß sei oder eine Ausnahme, was sie schwer hoffe, denn diese Temperaturen könnte ja kein Mensch ertragen, zumindest kein normaler.
    Die zukünftigen Kokosesser riefen ihr Bemerkungen hinterher, die sie weder hörte noch verstanden hätte, es ging um die

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