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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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flache Wasser genügte ihm nicht, deswegen durchtauchte er die Brecher und wagte sich sogar weiter raus als Pater Joseph, und der glaubte an Gott. Der Kopf des Freundes war kaum noch zu sehen, verschwand immer wieder, tauchte auf, wurde kleiner und ferner. Hinter Engelhardt das Gepäck seiner Gäste, der Seesack Wilhelms, Walters Holzkisten und die fünf schweren Koffer, die Anna mitgebracht hatte, lauter Ballast, lauter Materie, davon hatte er sich längst getrennt, alles weggegeben, was nicht unbedingt notwendig war, neulich erst sein letztes Paar Schuhe an einen der Brüder von Kabua, weil der sie so interessiert betastet hatte, allein die Bücher gestatte er sich, denn die waren im Grunde nur reiner Geist, und das Grammophon, das Bach nicht wieder mitgenommen hatte, als er nach Deutschland zurückgekehrt war, weil die Fracht dreimal so teuer gewesen wäre wie ein neues Gerät.
    Seit drei Stunden waren sie hier und er noch immer geschockt, denn er hatte nichts von Anna gewusst. Dass die anderen kamen, war abgemacht, aber kein Wort von Anna. Überraschung, hatte sie gerufen, war aus dem Boot des Paters gesprungen, durchs Wasser gelaufen und ihm um den Hals gefallen, Überraschung, August.
    Ein Moment der atemlosen Stille, ihre Arme um seinen Hals, die schweren Brüste, ihr Schamhügel, den sie nach vorne schob, nur ein wenig, aber so, dass er ihn spürte und an die letzte Begegnung dachte im Centraibahnhof in Köln, Kohlenstaub in der Luft; es hatte genieselt, als ob es nie wieder aufhören würde, und er hatte gefroren, weil er den warmen Mantel schon verkauft hatte, und ihr eine Haarsträhne von sich gegeben, was ein Fehler war, denn sie hatte ihn angeschaut, du bist so süß gesagt und die Haare in den Wind fallen lassen, die brauche ich nicht, ich bin mit dir schon immer verbunden, worauf er sich geschämt hatte, wegen seiner sentimentalen Geste und weil er nichts von dieser Verbindung gespürt hatte, während er sie gehalten hatte wie jetzt. Immer spürte er sie ganz in der Umarmung, immer ihren Unterleib, die Oberschenkel, mit denen sie sich leicht gegen ihn lehnte, was ihn erregte und mehr noch beunruhigte, weil er nicht verstand, ob eine Aufforderung darin lag oder sie diesen Gruß ihrer Hüfte jedem zukommen ließ, den sie hielt. In Köln hatte die Lokomotive einen Pfiff ausgestoßen und er war eingestiegen, stand in der Tür und sah ihr nach, als der Zug langsam anfuhr und sie immer kleiner wurde, die Hand in der Luft; sie winkte nicht, sie hob nur die Hand. Kurz hatte er überlegt, abzuspringen, es wäre der letzte mögliche Moment, und vielleicht wäre er gesprungen, wenn sie weniger still gestanden hätte. Ein Sehnen, das niemals erfüllt wird, ist zwischen euch, hatte Fidus gesagt, daher die Trauer, die in ihm war, als der Zug nach Hamburg fuhr, das Schiff von dort übers Meer, eine Trauer, die nur ganz langsam verschwunden war in den Monaten und Jahren, die Sonne hatte sie schließlich geschmolzen, und jetzt war sie wieder da, als sei nichts passiert, als hätte er sich nicht von allem gelöst mithilfe der Sonne und der Nüsse, dabei war er doch frei, seit Jahren schon war er frei von allem und glücklich dabei, an nichts gebunden, nicht an die Welt draußen und an keinen Menschen, schließlich hatte er alles, was er brauchte, Licht, Palmen und Bücher, was braucht ein Mensch mehr, dachte er, als sie ihn rechts und links auf die Wange küsste, schau mich nicht so verdattert an, August, ich bin’s, alles ist gut, und er konnte nichts antworten, denn Walter kam, packte ihn, hob ihn hoch, Mensch, du bist mager geworden, bekommst du hier nichts Anständiges zu essen? Noch breiter und größer als früher war er und ein wenig bedrohlich, der älteste Freund, den er hatte. Wilhelm hatte geflucht, weil die Gitarre nass geworden war, hatte sie vorsichtig an seinen Seesack gelehnt und war zu ihnen gekommen und hatte alle drei mit seinen langen, knochigen Armen umfasst. Schön, dass wir wieder beisammen sind, hatte er gesagt, nur Fidus fehlt, aber der wollte nicht kommen oder konnte nicht, verstehst du, hat eine Menge Aufträge und gut bezahlt noch dazu, und Diefenbach grollt ihm deswegen. Aber immerhin, wir sind hier und im Paradies und in zwei Tagen fast dreißig weitere Jünger des Sonnenordens, deine Insel ist berühmt, August, und du bist es auch, man redet viel über dich in Deutschland, das liegt an den Briefen des Komponisten. Hier lebe man ohne die Hast der Kultur und wahrhaft kommunistisch, hat er

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