Das Paradies ist anderswo
Wikingerin. Mette beschloß sogleich, die Möbel zu erneuern und Wohn- und Eßzimmer neu zu tapezieren. Im gleichen Jahr präsentiertest du durch Vermittlung von Camille Pissarro bei der vierten Ausstellung der Impressionisten eine Marmorbüste deines Sohnes Emil. Die Skulptur hatte nichts Spektakuläres, doch fortan betrachteten dich alle – Publikum und Kritiker – als Teil der Gruppe. Warst du froh über diese Fortschritte, Paul?
»Ich hatte keine Zeit, froh zu sein, bei dem hektischen Leben, das ich führte«, sagte Koke. »Aber ich war aktiv. Von dem Geld, das die Wikingerin mir von dieser märchenhaften Prämie zugestand, kaufte ich Bilder von meinen Freunden. Meine Wohnung füllte sich mit Degas, Monet, Pissarro und Cézanne. Den bewegendsten Tag dieses Jahres verdankte ich dem Meister Degas: Er schlug mirvor, wir sollten ein Bild austauschen. Er behandelte mich wie seinesgleichen, stellt euch das vor!«
Es war auch das Jahr, in dem Clovis geboren wurde, dein drittes Kind. 1880 nahmst du mit acht Bildern an der fünften Austellung der Impressionisten teil. Und im gleichen Jahr äußerte Edouard Manet dir gegenüber zum ersten Mal ein Lob, in indirekter Form: »Ich bin nur ein Dilettant, der abends und an Feiertagen Kunst studiert«, hattest du im Nouvelle Athènes gesagt. »Nein«, widersprach Manet energisch. »Dilettanten sind diejenigen, die schlecht malen.« Du warst wie betäubt und glücklich. 1881 begann der gute Schuff, der sein gesamtes Vermögen und alle Ersparnisse in ein obskures Unternehmen gesteckt hatte, das eine neue Technik der Goldbehandlung verwertete, viel Geld zu verdienen, und heiratete die schöne, mittellose Louise Monn, die glaubte, sie würde eine gute Partie machen. Und sie täuschte sich nicht. Der gute Schuff gab die Börse auf, um sich der Kunst zu widmen. Mette erschrak: Du träumtest doch wohl nicht von einer ähnlichen Dummheit, Paul? Der Ehestreit fand nun jeden Tag statt.
»Warum hast du mich getäuscht und deine künstlerische Neigung vor mir verborgen?«
»Weil ich sie auch vor mir verborgen habe, Mette.«
In dem kleinen, von dem Maler Félix Jobbé-Duval gemieteten Atelier arbeitetest du mit Holz und Stein und maltest wie besessen in den Stunden, die du der Börse stehlen konntest. Jobbé-Duvals Geschichten über seine Heimat, die Bretagne, und über die Bretonen, ein ursprüngliches, traditionsreiches Volk, das sich der »kosmopolitischen Industrialisierung« verweigerte, weckten deine Sehnsucht. Damals begannst du zu träumen, aus der Metropole Paris zu fliehen und ein Land zu suchen, in dem die Vergangenheit noch gegenwärtig wäre und die Kunst sich noch nicht vom normalen Leben entfernt hätte. In diesem Atelier hattest du Bilder gemalt, auf die du noch immer stolz warst: Malerinterieur, Rue Corail, Aktstudie, Suzanne beim Nähen , die du zur Ausstellung der Impressionistenschicktest, und das beste von allen: Der kleine Träumer: eine Studie . 1881, als Mette das vierte Kind, Jean-René, zur Welt brachte, kaufte dir die Galerie Durand-Ruel für tausendfünfhundert Francs drei Bilder ab, und ein berühmter Schriftsteller, Joris-Karl Huysmans, widmete dir einen lobenden Artikel. Das Leben zeigte sich von der besten Seite, Paul.
»Ja, ja, und das Allerbeste war, daß Unternehmen und Banken langsam, aber sicher Bankrott machten«, rief er begeistert. Er mußte die Stimme heben, um sich unter den Donnerschlägen Gehör zu verschaffen. »Frankreich ging dem Ruin entgegen, meine Freunde. Auch die Börsen schlossen, eine nach der anderen. Danke, lieber Gott! Danke, daß du mein Problem gelöst hast!«
Seine Freunde schauten ihn verständnislos an. Du erklärtest ihnen, daß die wirtschaftliche Katastrophe sämtliche Franzosen ruinierte, nur dich nicht. Für dich kam sie einer Befreiung gleich. Die wirtschaftliche Tragödie führte zu großer politischer Unruhe. Die Anarchisten wurden verfolgt, und Kropotkin landete im Gefängnis. Camille Pissarro versteckte sich; es herrschte Panik in vielen armen und reichen Häusern. Doch du, Paul, maltest weiter, völlig gleichgültig gegenüber diesen Ereignissen, verrückt vor Ungeduld. Als die Börse von Lyon schloß, bekam Mette eine Nervenkrise und weinte, als wäre ein geliebtes Wesen gestorben. Als die Pariser Börse schloß, aß sie tagelang nichts, magerte ab, zehrte aus. Du warst froh. In diesem Jahr stelltest du in der siebten Ausstellung der Impressionisten elf Ölbilder, ein Pastell und eine Skulptur aus. Als dich im
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