Das Parsifal-Mosaik
wie sie es ausdrückte, und bat mich inständig, alles zu vergessen, was sie mir gesagt hätte. Ich gab mich ganz mitfühlend, ließ aber durchblicken, daß ihr Instinkt vielleicht richtig gewesen wäre, obwohl ich nicht die richtige Adresse für ihre Klage sei; es gäbe aber andere, die ihr bessere Dienste leisten könnten. Daraufhin meinte sie sinngemäß, ihr Mann könne dadurch ruiniert werden, und das könne das Ende einer brillanten Militärlaufbahn bedeuten. Das war es.«
»Wie haben Sie herausgefunden, daß es Matthias war?« »Weil ich am selben Morgen in der Washington Post las, daß Anton einen Kurzurlaub verlängern und nicht vor dem Senatsausschuß für Auswärtige Beziehungen auftreten würde. Ich dachte weiter über die Frau nach und über das, was sie gesagt hatte ... und mich beschäftigte die Tatsache, daß Anton selten auf eine Gelegenheit verzichtete, vor die Fernsehkameras im Senat zu treten. Und dann dachte ich, warum eigentlich nicht? Uns beiden ist ja bekannt, wo er praktisch jede freie Minute verbringt ...« »In seiner Hütte im Shenandoah-Tal«, ergänzte Havelock. »Richtig. Wenn die Geschichte stimmte und er sich wirklich ein paar zusätzliche Urlaubstage genommen hätte, überlegte ich mir, könnten wir ja miteinander fischen gehen oder vielleicht Schach spielen. Ebenso wie Sie kenne ich die geheime Telefonnummer auch. Also rief ich ihn an.«
»Und er war nicht dort«, sagte Michael.
»Das haben sie nicht gesagt«, berichtete ihm der Journalist. »Sie sagten, er könne nicht ans Telefon kommen.« »An jenes Telefon?«
»Ja ... jenes Telefon. Die Privatnummer.«
»Das Telefon, das niemand abnimmt, wenn er nicht da ist. Zum Hinterlassen von Nachrichten gibt es eine andere Nummer.« »Ja.« Alexander hob sein Brandyglas und nahm einen Schluck. Am liebsten hätte Havelock den behäbigen Journalisten mit der vollen Mähne an den Schultern gepackt und ihn geschüttelt. Weiter! Weiter! Reden Sie! Statt dessen sagte er ruhig: »Das muß ein Schock für Sie gewesen sein.« »Hätten Sie nicht auch so reagiert?«
»Sicherlich. Sehen Sie denn nicht die Betroffenheit in meinen Augen? Was haben Sie getan?«
»Zuallererst habe ich Zelienski angerufen. Sie erinnern sich doch an den alten Leon, nicht wahr? Jedesmal, wenn Matthias auf seine Hütte ging, pflegte er Zelienski zum Abendessen einzuladen; seit Jahren war das so.« »Haben Sie ihn erreicht?«
»Ja, und er hat mir etwas sehr Seltsames erzählt. Er sagte, er hätte Anton seit Monaten nicht gesehen, Matthias hätte seine Anrufe nie persönlich beantwortet; und seiner Ansic ht nach hätte unser großer Mann neuerdings keine Zeit mehr für ein Wochenende im Tal.« »Sie sind mit Zelienski befreundet, nicht wahr?« erinnerte sich Michael.
»Hauptsächlich über Anton. Durch ihn haben wir uns kennengelernt. Er kommt gelegentlich zum Mittagessen oder zum Schachspielen herauf. Nie zum Abendessen; er fährt nicht gerne bei Dunkelheit. Aber worauf ich hinauswill, ist, daß Matthias nicht in seiner Hütte war, wo er sich am besten hätte erholen können. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er den alten Leon nicht mehr sieht. Schließlich läßt Zelienski ihn gewinnen.«
»Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß Sie die Sache einfach auf sich beruhen lassen.«
»Da haben Sie völlig recht. Ich habe Antons Büro angerufen und verlangt, den Mann zu sprechen, der den Minister während seiner Abwesenheit vertritt. Meine Anfrage hielt ich für dringlich genug. Raten Sie mal, mit wem man mich verbunden hat?« »Mit wem?«
»Mit Emory Bradford. Erinnern Sie sich an ihn? Bradford, der >Bumerang<, der Schrecken der Falken, wo er doch einmal ihr Sprecher gewesen war. Ich war angenehm überrascht, weil ich ihn eigentlich sogar bewundere, daß er den Mut hatte, seine Position völlig zu revidieren. Aber ich hatte immer gedacht, Matthias hätte das ganze Pack verabscheut und wäre eher noch jenen wohlgesonnen, die ihre Posten verloren, weil sie ihrer politischen Haltung treu geblieben waren.«
»Was hat Bradford Ihnen denn gesagt?« Michael umklammerte das Glas und hatte plötzlich Angst, er könnte es zerbrechen. »Sie meinen, nachdem ich ihm gesagt hatte, was ich dachte? Natürlich habe ich die Frau nie erwähnt, und das war weiß Gott auch nicht notwendig. Bradford war schockiert. Er bat mich inständig, nichts darüber zu schreiben oder anderweitig verlauten zu lassen, und versprach mir, Matthias würde persönlich mit mir in Verbindung
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