Das Patent
Labyrinth sogar besser als die Leute, die es gebaut hatten. Er war auch über die Brillen des Wartungspersonals informiert.
Er hatte Pläne für jeden Fall und kannte sogar die Zahlen, die auf den einzelnen Spiegeln standen.
Sämtliche Instinkte schrieen Sarah zu, nicht weiterzugehen.
Aber sie hatte keine andere Wahl: Sie musste John Doe die DVD aushändigen. Egal, um welchen Preis.
Sie blieb plötzlich wieder stehen. Ihr Abbild - hier ein Spiegelbild, da ein zuvor eingefangenes Hologramm - begegnete ihr von allen Seiten. Doch links vor ihr war ein anderes: das Abbild eines Mannes. Aber es war nicht John Doe.
Sarah trat näher heran und konzentrierte sich, als das gerahmte Abbild schärfer wurde.
Es war Andrew Warne. Sarah wirbelte herum. Andrew? Hier?
Sie hatte keine Zeit für Überlegungen. Sie konnte nur reagieren. Sie hatte allein kommen sollen. Wenn Warne sich hier aufhielt, musste er einen Grund dafür haben - einen triftigen Grund. Er musste irgendwo zwischen ihr und dem Eingang sein. Wenn John Doe sich tiefer in diesem Labyrinth aufhielt, brauchten die Bildrechner unter ihr etwas mehr Zeit, um Warnes Abbild bis zu ihm zu übertragen.
Sarah ging schnell zur letzten Kreuzung zurück, dann bog sie nach rechts ab und nahm die Richtung, aus der sie gekommen war. Irgendwo vor ihr ertönte das Geräusch näher kommender Schritte.
»Sarah?« Sie hörte Warnes Stimme. Es war ein heftiges, ungeduldiges Flüstern. »Sarah? Wo bist du?«
Die Stimme wurde kurz leiser, dann war sie wieder da, diesmal näher. »Sarah? Wo bist du?«
»Hier«, flüsterte sie zurück.
An der Gabelung der Y-Kreuzung tauchte eine Gestalt auf.
Diesmal war es kein Hologramm, aber auch kein Spiegelbild.
Es war Andrew Warne. Der dicke Verband hing lose an seinem Schädel. Sein Blick drückte eindeutig Furcht aus. Dann sah er Sarah. Er runzelte kurz die Stirn, als müsse er sich anstrengen, um die Realität von der Täuschung unterscheiden zu können. Sarah trat auf ihn zu. Seine Miene hellte sich sofort auf.
»Sarah«, sagte er und packte ihre Hände. »Gott sei Dank!«
Einen Moment lang überwältigte die Berührung eines ihr sympathischen Menschen alles andere. Sarah schloss die Augen.
Dann riss sie sich jäh von Warne los.
»Was machst du hier?«, flüsterte sie hektisch. »Wie bist du hier reingekommen?«
»Ich musste dich aufhalten«, erwiderte er leise. »Du bist hier nicht sicher.«
»Du darfst nicht hier sein. Ich muss John Doe die Disc allein übergeben. Ich.«
Warne packte ihre Unterarme. »Es ist eine Falle.«
Als Sarah hörte, dass er ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigte, war sie wie betäubt. »Woher weißt du das?«
Sie spürte, dass sein Griff fester wurde. »Es fällt mir nicht leicht, es zu sagen, Sarah, aber. Wir haben den Maulwurf entdeckt. Den Mann, der für John Doe hier tätig ist.«
Sarah wartete ab. Sie wagte nicht zu atmen.
»Es ist Barksdale.«
Sarahs erster Impuls bestand darin, Warne zu ohrfeigen. Sie riss sich von ihm los.
»Lügner!«
Warne kam wieder näher. »Bitte, Sarah. Du musst mir zuhören; die Zeit ist knapp. Die Sicherheit eurer Systeme ist nie von außen überprüft worden. Die Leute von KIS haben nie für Utopia gearbeitet. Barksdale hat alles nur vorgetäuscht. Die Techniker, die letzten Monat hier waren, um eure Firewalls zu testen, waren John Does Leute. So haben sie euer System infiltriert und ihre Fallen eingebaut.«
Sarah schüttelte heftig den Kopf. Es konnte nicht wahr sein. Es war unmöglich. Es musste irgendeine andere Erklärung geben.
»Nein«, sagte sie. »Ich glaube dir nicht.«
»Es ist mir nicht wichtig, dass du mir glaubst. Ich bitte dich nur, sofort von hier zu verschwinden, dann kannst du dich selbst von der Wahrheit überzeugen. Die Disc, die ihr gefunden habt. die der Wachmann angeblich zertreten hat... Sie war leer. Also hat Doe die echte an sich genommen und durch eine andere ersetzt. Es war alles geplant. Wozu braucht er deiner Meinung nach also eine zweite? Warum, glaubst du, hat er darum gebeten, dass ausgerechnet du ihm das Duplikat überbringst? Dass du dich allein mit ihm triffst?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich auch nicht. Jedenfalls nicht genau. Aber es kann nichts Gutes bedeuten. Du musst.«
»Sarah?«, meldete sich John Does Stimme. Warne verstummte auf der Stelle. Er schaute Sarah rasch an, und sie drückte einen Finger auf ihre Lippen.
»Sarah, ich habe doch gesagt, dass wir in Sprechkontakt bleiben. Warum haben Sie ihn unterbrochen?«
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