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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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    16:25 Uhr
    Das Meer: tiefblauer, ungebrochener Azur, nur hier und da von weißen Tupfen bewegt. Es war klar und still bis auf das ferne Geräusch der lauter und leiser werdenden Brandung in einer zeitlosen Ode: der vollkommene Strand, von dem jeder Träumer weiß, dass er an den Antipoden der Erde liegt und unser sein könnte - wüssten wir nur, wo wir ihn finden.
    Dann schärfte sich Pooles Blick. Die Vision floh in weite Fernen.
    Einen Moment lang bedauerte er es, sie verschwinden zu sehen. Da war gar kein friedliches Meer. Vor ihm wölbte sich nur die blauschwarze Kuppel Utopias. Die Scheitelpunkte glänzten in der Nachmittagssonne. Der Ruf der Brandung war das in seinen Ohren rauschende Blut gewesen. Da war auch kein Alabasterstrand. Nur die harten Kanten gnadenlosen Sandgesteins drückten in sein Kreuz und die Höhlung seines Nackens. Außerdem spürte er einen heftig pochenden Schmerz in den Schläfen - und einen anderen, durchdringenden in den Eingeweiden.
    Dann fiel ihm alles wieder ein, und er machte einen jähen Versuch, sich aufzusetzen.
    Der Schmerz stach wie eine Feuerlanze durch seinen Bauch. Er sank mit einem Stöhnen zurück.
    Er hatte sich wie ein Trottel benommen. Eine am Rücken befestigte Kanone war der älteste Trick der Welt, den er selbst mehr als einmal angewandt hatte. Er wurde zu alt für dieses Spiel.
    Aber er hatte keine Zeit, um hier herumzuliegen und zu schmollen.
    Poole richtete sich erneut auf, krabbelte auf allen vieren rückwärts durch die Rinne. Der Schmerz in seinem Bauch wurde unerträglich, und mit einem Laut, der eine Mischung aus Keuchen und Schluchzen war, warf er sich schließlich unter den untersten Laufsteg zwischen zwei massive Schrauben am Kuppelsockel. Dort war eine Sprengladung befestigt. Niemand würde wagen, auf ihn zu schießen, wenn er nahe genug an ihr war.
    Er hielt sich am Laufsteg ein und zog sich langsam hoch.
    Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Er war zwar ständig einer Ohnmacht nahe, aber es war lebenswichtig, über die Lage Bescheid zu wissen.
    - Poole stützte sich an die Basis der Kuppel und schaute sich um. Er sah den toten Arbeiter kaum zwei Meter entfernt in der Rinne liegen. Hinter der Rinne lag der Mann in dem beigefarbenen Overall - der mit den Waffen ausgebreitet auf dem Rücken. Hinter dem Gesteinsvorsprung sah Poole nur seine Beine und einen ausgestreckten rechten Arm. Doch der Mann rührte kein Glied. Er musste ihn getroffen haben, als er selbst nach dem Einschlag der Kugel nach hinten gefallen war.
    Trotz der ihn benebelnden Schmerzen versuchte Poole zu überlegen. Vielleicht war der Mann nicht allein gekommen.
    Zuerst galt es, sich zu bewaffnen. Aber um das zu tun, musste er sich bewegen.
    Schau dich an!, hatte einst einer seiner Ausbilder in einem Trainingszelt für Fortgeschrittene gesagt. Krieg raus, wie schwer du verwundet bist! Auf dem Bildschirm war ein Dia aufgeflammt: ein Schwarzweißfoto von einem Schlachtfeld aus alter Zeit. Soldaten, die in Schützengräben hockten. Sie trugen Kappen, komische,
    viel zu große Stiefel, und ihre Kleidung war in Unordnung. Schau dir die toten Konföderierten an!, hatte der Ausbilder gesagt. Warum, glaubst du, sind ihre Hemden alle so zerfetzt? Das waren keine Fledderer auf dem Schlachtfeld. Die Kerle haben es selbst getan. Sie haben nach Ein- und Ausschusslöchern gesucht. Sie haben gewusst, wenn sie einen Bauchschuss haben, ist der Ofen aus. Schau dich also an! Krieg raus, wie schwer du verwundet bist! Und dann orientierst du dich neu.
    All dies ging in einer Zehntelsekunde durch Pooles Kopf.
    Mit kurzen, unruhigen Atemzügen schaute er an sich hinab.
    Abgesehen vom grauen Staub der Mesa schien seine Kordjacke unversehrt zu sein. Dann sah er das kleine Loch, ein paar Zentimeter über der linken Seitentasche. Er knirschte mit den Zähnen, fasste die Jacke an und schälte sie äußerst vorsichtig von seinem Körper.
    Als Erstes sah er Blut. Eine Menge Blut. Es hatte den unteren Teil des Hemdes durchnässt. Der Anblick ließ Poole kurz schwindlig werden. Er biss sich auf die Unterlippe und zwang sich zur Konzentration. Er knöpfte das Hemd auf und löste es auch langsam von seinem Leib. Während er dies tat, quoll ein frischer Blutstrom hervor.
    Nun konnte er die Wunde sehen - ein schartiges kleines Loch im Segment links unten. Die Kugel hatte offenbar keine lebenswichtigen Organe getroffen, aber er blutete stark. Das Ausschussloch, dies wusste er, musste

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