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Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmer Mendoza
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einen lukrativen Zweig der Autoindustrie gesteckt, seine Konkurrenz warf ihm unpatriotische Praktiken vor, aber das ließ ihn kalt, er nahm denPlatz ein, der ihm gebührte, und das war das einzig Wichtige. Trotzdem war er ein äußerst vorsichtiger Mensch. Dreimal schon hatte man ihn entführt, zweimal war er ungeschoren davongekommen, beim ersten Mal wäre er beinahe hopsgegangen.
    Olmedo nahm sich eine Flasche Buchanan’s Red Seal, einen kleinen Eiswürfelbehälter, legte eine CD von Tom Waits ein und setzte sich in seinen Lieblingssessel. Er lebte allein. Eine Putzfrau hielt das Haus in Ordnung, aber sie war momentan in Mexiko-Stadt, wo eine ihrer Töchter gerade ein Baby bekommen hatte.
    Olmedo war dreiundfünfzig und ein zäher Typ. Obwohl er mit vier Frauen liiert gewesen war und eine Tochter hatte, war er ein eingefleischter Junggeselle. Zumindest behauptete er das gegenüber Doktor Parra, mit dem er sich ab und zu traf, um zu essen oder zu plaudern.
    Gegen halb elf hatte er mehr als die Hälfte der Flasche geleert, zwei CDs gehört und schlief wie ein Stein. Da klingelte es mehrmals. Eigentlich war er zu träge, um aufzumachen. Man müsste einen Butler haben, der sich um solche Sachen kümmert, dachte er. Gähnend stand er auf und taumelte zur Tür. Er war leger angezogen, so wie er es am liebsten mochte. Ob das die Engländer waren? Die kommen, wann’s ihnen gerade in den Eiern juckt, diese blöden Wichser. Geschäftsleute wollen das sein? Dass ich nicht lache, Geschäftsleute kommen nie zu spät, vor allem dann nicht, wenn was für sie rausspringt. McGiver ist eine Ausnahme, der war in seinem ganzen verfluchten Leben noch nie pünktlich gewesen. Erst veranstaltet er einen Mordswirbel, alles sei bereit, es müsse schnell über die Bühne gehen, sonst hätte er ein Problem, und jetzt ist die Pfeife ebenfalls zu spät. Ihm fiel ein, dass die fünfhunderttausend Dollar auf dem CD-Regal lagen, gut, dann konnte er die Sache schnell erledigen. Er würde sich das Echtheitszertifikat kurz ansehen, natürlich auch die Gitarrenteile selbst. Aber auf Leo war Verlass.
    Ohne zu fragen, wer es war, machte er die Tür auf, eine Sekunde später brach er zusammen. Ein Schuss hatte ihn ins Herz getroffen.

10
    Vor dem Alexa verkaufte ein dürrer Kerl Süßigkeiten und Zigaretten. Seine Ware stellte er in einer Holzkiste zur Schau, gleich neben einem falschen Glasfenster am Eingang. Der Schauplatz der Triumphe von Mayra Cabral de Melo. Das ist vielleicht nicht der beste Job, den ich je hatte, aber ich liebe ihn . Mendieta sah, wie der fliegende Händler durch die Scheibe starrte. Er hieß bei allen der Apache und hatte für den Mord an seiner Frau zehn Jahre gesessen. Der Zurdo kannte ihn, weil er ein Informant von Sánchez gewesen war, seinem ehemaligen Kollegen, der jetzt als Rentner auf einer Farm lebte, Rettich anbaute und Karottenmarmelade fabrizierte. Was siehst du, Apache? Er drehte sich nicht um. In dieser Scheibe sind sie alle zu sehen, Señor, die Guten und die Bösen, die Verbrecher und die Märtyrer, die Politiker und die Sportler; an manchen Tagen kommt sogar Gott vorbei, mit einem schweren Ledersack im Schlepptau, dann liegt mir die Frage auf der Zunge: »Don Dios, was ist da drin?« Aber ich trau mich nicht. Er nahm seine Baseballmütze ab, wischte sich den Schweiß von der Stirn, auf der an einer Stelle, wo man ihm die Haare rausgerissen hatte, eine runzlige Narbe prangte. Na, wie geht’s?, habe ich ihn stattdessen gefragt, und schwups war er wieder weg, der Mann will nicht mit mir reden, es ist ihm peinlich; manchmal kommt auch sie vorbei und macht sich lustig, diese Schlampe; manchmal weint sie auch, ich weiß nie, was ich denken soll. Mendieta beobachtete eine Spiegelung in der Scheibe, aber er konnte nichts Besonderes erkennen. Es ist jeden Abend anders, Señor, manchmal sehe ich nur Gebäude, deren Bewohner sich verschanzt haben, nicht blicken lassen die sich, haben vor irgendwas Angst, nicht mal die Jalousien ziehen sie hoch; dann wieder sehe ich Flüsse, in denen niemand schwimmt, einsame Strände, Wüsten ohne Skorpione, Kakerlaken im All. Gib mir eine Packung Trident. Suchen Sie sich eine Geschmacksrichtung aus, Ihrem Gesicht nach zu urteilen, mögen Sie Minze, hab ich recht? Erinnerst du dich an Sánchez? Ein barmherziger Mensch, kommt auch manchmal vorbei, als Cowboy verkleidet, oder wollen Sie lieber Zitrusgeschmack? Wie wär’s, wenn du in der Scheibe deine Zukunft lesen würdest, Apache.

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