Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
neuen Kunden an Land gezogen. Der dünne, blasse, fiebrig blickende Mann aß einen Obstteller mit Toastbrot. Wie gut, dass Sie die Anzahlung noch nicht getätigt hatten, Señor Andrade. Das hätte mich geärgert; zum Glück wusste der Abgeordnete Vinicio de la Vega, was mit dem anderen Lieferanten passiert war, kannte Sie und konnte Sie mir empfehlen; außerdem hat er mich noch rechtzeitig angerufen. Uns können Sie vertrauen. Was für ein merkwürdiger Kerl, da gehen wir essen, und der wirft noch nicht mal einen Blick in die Karte. Es gibt nichts, was es nicht gibt, er kostete ein Stück Guanabana. Señor McGiver, wenn alles gutgeht, werden Sie alle Fronten beliefern. Darin besteht mein Geschäft, Señor Andrade, und vergessen Sie nicht, wie leicht Sie mein exklusiver Partner werden könnten. Danke, was ich an Sinaloa am meisten schätze, sind die Früchte, immer frisch, immer schmackhaft. Der Schmuggler, der Machaca mit Zwiebeln und grünem Chili und Maistortillas aß, nickte lächelnd und dachte, dass er in seinem Leben kaum Obst gegessen hatte. Wie sagte schon sein Großvater: nicht mal, wenn er krank wäre.
Eine halbe Stunde später rief er von seinem Zimmer aus Danilo Twain an und gab ihm die Stückzahlen durch, die er gerade ausgehandelt hatte. Die Sache mit der Publicity macht mir ein bisschen Sorgen, grüner Pfeil, weißer Pfeil findet sie nicht gelungen. Das Mädchen ist bildhübsch, wenn keine Publicity für sie gemacht wird, springt nichts für sie raus. Hoffentlich irrst du dich da nicht, und sonst? Es ist Sommer, die Meteorologen sagen Wirbelstürme voraus, wir müssen abwarten. Wir sind bereit und harren der Dinge. Klick.
Er rief Dulce Arredondo an. Gibt’s was Neues? Sie wollen nicht, angeblich geht es nicht so einfach, und solange sie kein Geld sehen, machen sie keinen Finger krumm. Was wollen diese Blödmänner?, warum lassen die sich so bitten? Es sind eben die Besten, warum ist es überhaupt so dringend? Es soll ein Geschenk sein für eine Frau, die gerade Frida Kahlo entdeckt hat. Muss es unbedingt dieses Bild sein? Ja, das hat sie mir deutlich zu verstehen gegeben. Ich schaue, was ich machen kann, und wenn nicht? Das ist keine Option, ich zahle jeden Preis; apropos, morgen kriegst du deinen Anteil dafür, dass du Andrade an die Angel genommen hast. Ziemlich unheimlich, der Typ, oder? Der verkauft nur deshalb seine Mutter nicht, weil er keine hat. Hat er schon gefrühstückt? Ich ruf dich später noch mal an. Er stand am Fenster seines Zimmers mit Blick auf den Fluss und sah eine Szene, die seinen schon vergessen geglaubten jugendlichen Hang zu Faustkämpfen heraufbeschwor.
Yoreme joggte am Ufer des Tamazula und boxte in die Luft. Er hörte Sony Alarcón, wie er seinen Kampf kommentierte. Linker Haken von Yoreme, rechter Haken, er bewegt sich elegant, Finte, Gerade zum Gesicht, Schlag auf die Leber, Cavernario Galindo steckt die Treffer ein, versucht es mit zwei Kung-Fu-Tritten, die das Idol aus Culiacán – kurz: Kid – aber nicht einmal streifen, eine Serie von Aufwärtshaken prasselt auf den Cavernario ein, der nicht die Härte, aber die Anzahl der Treffer spürt, eratmet durch den Mund, Yoreme setzt nach, bereitet seine tödliche Waffe vor: den Uppercut, seine Fans am Ring feuern ihn an, wir sehen den großen Efrén »der Skorpion« Torres, den Huitlacoche José Medel, den Púas Olivares, den Mantequilla Nápoles, Julio César Chávez, Finito López, Chiquita González, Salvador Sánchez, den Terrible Morales, Julio Cortázar. Yoreme hält inne, macht zum Dank eine Verbeugung; wer ist das? Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen, Roxana, die schöne Tänzerin, die Kid Yoreme gleich die Siegerkrone aufsetzen wird.
Vor dem Hotel Lucerna erstarrte Yoreme plötzlich. Er bemerkte die vielen Fußgänger und Jogger entlang des Fahrradwegs durch den Riberas-Park. Dann sah er Dayana und Luis Ángel Meraz kommen, beide lächelten. Wie ein Erdbeben erschütterte ihn die Erinnerung an den Abend, als er Meraz und Roxana gefolgt war, zu dem großen Haus, sie waren gemeinsam reingegangen, und er war allein wieder rausgekommen, um sein Handy zu holen, wie oft hatte dieser Kerl sie mitgenommen, während er immer nur hatte zuschauen dürfen.
Du hast sie umgebracht, du Schwein, ich hab dich gesehen! Erschrocken bremste Meraz ab; er war stets auf das Schlimmste gefasst, aber die drohende Haltung Yoremes jagte ihm regelrecht Panik ein. Junger Mann, wovon reden Sie? Du hast Roxana umgebracht, du
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