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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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zugestehen, seine Tochter von dem zurückzuverlangen, der sie gekauft hatte. Balám war sich seines Erfolges gewiss – sein Plan sah vor, Palenque noch vor Sonnenaufgang zu verlassen und sich an der Weißen Straße auf die Lauer zu legen. Chac und seine Männer waren bestimmt nicht auf den Überfall vorbereitet. Zu einem schweren Gefecht würde es nicht kommen, aber doch wohl zum Kampf. Und Balám wusste, dass seine Truppe wie alle Soldaten, wenn sie später von dem Geschehen berichteten, maßlos übertreiben und ein erbittertes Ringen daraus machen würden.
    Bald wäre Ziyal wieder bei ihm.

    Inmitten der Vorbereitungen zum Aufbruch musterte Haarlos, die buschigen Brauen nachdenklich gewölbt, seinen Herrn. Chacs Verhalten an diesem Morgen war distanziert und so kühl wie der tief hängende Dunst über der alten Stadt. Wie abwesend wirkte er, dabei hätte er doch allen Grund zum Jubeln. Es war bekannt geworden, dass Tonina die letzten Worte von Paluma falsch gedeutet hatte, dass Chacs Frau das Bekenntnisgebet doch gesprochen hatte und somit ihre Seele gerettet war. Alle freuten sich für Chac. Er hätte glücklich sein sollen. Aber er war es nicht.
    Vielleicht weil er sich aufmacht, um Vergeltung zu üben, redete sich Haarlos ein und rollte die letzte hamac zusammen, um sie sich dann auf den Rücken zu schnallen. Seiner Natur nach ist Chac nicht der Gewalt zugeneigt. Keiner, der einen Menschen umbringt. Und doch muss er genau dies tun, um den Tod seiner Frau zu rächen.
    Oder aber, überlegte Haarlos, als er durch das rauchverhangene Lager Tonina erspähte, die in sich gekehrt ihre Sachen zusammenpackte, Chacs düstere Stimmung hat damit zu tun, dass er sich von dem Inselmädchen trennen muss.
    Obwohl sie sich ein Lager teilten, hatten die beiden heute Morgen noch kein Wort miteinander gesprochen, und beide sahen aus, als hätten sie nicht geschlafen. Aus Palenque führte nur ein Weg heraus, den mussten sie gemeinsam zurücklegen, bis zu der letzten Stele, dann begann die Weiße Straße. Und dort bog Tonina dann mit ihrer kleinen Gruppe nach Westen ab, Chac mit seinen Leuten nach Osten. Haarlos vermutete, dass ihnen die Trennung schwerfiel, aber beide hatten Verpflichtungen, die ihnen keine andere Wahl ließen.
    Nach einem Stoßseufzer bedeutete Haarlos seiner jungen Frau, dass er bereit zum Aufbruch war. Nein, er wollte seinen Herrn nicht fragen, was ihn bedrückte. Mit seinen Dämonen musste ein Mann allein fertig werden.
    Der Großteil derer, die in Copán dazugestoßen waren – es gab sogar welche, die von Anfang an, seit Mayapán dabei waren –, hatte sich entschlossen, in Palenque zu bleiben, weil sie zu schwach waren oder zu müde oder zu krank, um weiterhin umherzuziehen oder weil sie nichts davon hielten, nach Mayapán zurückzukehren oder mit Tonina nach Westen zu gehen; hier gab es zumindest eine alte Frau, die mit unglaublichem Glück gesegnet war. In Ixchels Nähe zu leben ließ zumindest Heilung von Krankheiten und Wunden erhoffen, die Rückkehr treuloser Ehemänner, neue Fruchtbarkeit – Abhilfe für die Beschwerden, die den Menschen überall zu schaffen machten.
    Auch H’meen wollte bleiben. »Ixchel ist von dem langen Aufenthalt in der Höhle geschwächt«, sagte sie zu Tonina. »Sie braucht jemanden, der sich um sie kümmert und wieder gesund pflegt.« H’meens medizinisches Wissen hatte sich erweitert, inzwischen verfügte sie über eine umfangreiche Auswahl an Heilkräutern: Chinarinde, um das Fieber zu senken; die Blätter des purpurnen Fingerhuts gegen Herzbeschwerden, Yamswurzeln zur Behandlung von Arthritis. Man suchte H’meen auf, wenn man Kopf- oder Ohrenschmerzen hatte, Beschwerden in der Brust oder im Darm, Unregelmäßigkeiten bei der Menstruation oder wenn man an Impotenz litt, und all dies behandelte sie mit Pflanzenextrakten, Amuletts, Zaubersprüchen und Gebeten. Und jetzt wollte sie der armen Frau, die den größten Teil ihres Lebens unter der Erde verbracht hatte, zu Kräften und vielen weiteren Jahren verhelfen.
    »Von einer Dame in so vorgerücktem Alter kann ich eine Menge lernen«, erklärte sie Tonina. »Ixchel mit ihrem umfassenden Wissen und ihrer Weisheit hat möglicherweise ein Rezept gegen meine vorzeitige Alterung. Jedenfalls danke ich dir, Tonina, dass du mich aus Mayapán herausgeholt und mir die Welt gezeigt hast. Sollte ich morgen sterben, war es das wert.«
    Die Fünfzehnjährige, die so alt wie Ixchel aussah, würde Tonina fehlen. Sie umarmten sich und

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