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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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eigenen Stücken auf diese selbstmörderische Gefälligkeit eingelassen zu haben.
    Schließlich – ein zaghafter Ruck an der schweren, wackeligen Scheibe und kurz darauf ein »Guay!« Die Sonne hatte sich hinter einer dunklen Wolke verkrochen. Jetzt musste es schnell gehen.

    Chac klopfte das Herz bis zum Halse, als er nach Toninas Händen griff und ihr lange in die Augen sah. Was ihre Begleiter bewog, diskret in die entgegengesetzte Richtung zu schauen.
    »Ich bete darum, dass die Götter dich beschützen mögen«, sagte Chac heiser, um Haltung bemüht. »Und dass du deine Familie findest.«
    Tonina öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus.
    Zwischen den Bäumen war Balám drauf und dran, zum Zeichen des Angriffs den Arm zu senken, als Haarlos plötzlich sagte: »Was ist das denn?«
    Sie wandten sich in die Richtung, in die er deutete, und sahen oberhalb der Bäume in der Nähe der Stadt ein helles Licht aufblitzen.
    »Was das wohl zu bedeuten hat?« Chac runzelte die Stirn.
    Einer von Toninas Führern, der aus Palenque stammte, sagte: »Das ist ein Alarm, Herr! Irgendetwas ist in der Stadt los. Wir müssen zurück.«
    »Zurück!«, rief Tonina aus. »Warum denn?«
    Zwei der angeworbenen Führer machten bereits kehrt, während ein dritter sagte: »Es ist etwas passiert! Wir müssen nach Hause!«
    Hastig wies Chac Haarlos an, mit den Leuten langsam zu folgen, packte Tonina am Handgelenk und eilte mit ihr zurück nach Palenque.

    Nachdem er so gut es ging bis zum Einsetzen des Platzregens Signale gegeben hatte, kletterte Einauge wieder vom Turm. Er machte sich auf Vorwürfe gefasst. Man würde ihn wegen des Tricks mit der Augenklappe beschimpfen und dafür, sich als besonderer Glücksbringer ausgegeben zu haben. Stattdessen wurde er am Fuße der Leiter von einer begeisterten Menge in Empfang genommen, Frauen drängten sich um ihn, nannten ihn einen Helden, Männer klopften ihm auf den Rücken, als Anerkennung für seine Tapferkeit.
    Unter einem warmen Platzregen kehrte die ausgelassene Prozession zurück in die Stadt, zu Ixchels Haus, um dort das Eintreffen von Chac und Tonina abzuwarten. H’meen verteilte Kalebassen mit Suppe, irgendjemand steuerte pulque und Zigarren bei, und Einauge genoss seine plötzliche Berühmtheit. »Was für ein schlauer Bursche du doch bist«, sagte H’meen liebevoll und stolz. Und scherzhaft fügte sie hinzu: »Demnächst wirst du uns weismachen, dass du gar kein Zwerg bist!«
    Chac betrat als Erster den großen Innenhof. »Was ist los? Was ist vorgefallen?«, fragte er atemlos. Tonina, die kurz nach ihm eintraf und wie er vom Regen völlig durchnässt war, rang erst einmal nach Luft. Als sie dann Einauge sah, hob sie die Brauen. »Wo ist deine Augenklappe?«
    Ixchel kam seiner Antwort zuvor. »In den Bergen gibt es gefährliche Fallen, die ein grausamer König vor langer Zeit ausgehoben hat. Deswegen haben wir dich zurückgerufen. Kommt ans Feuer und trocknet euch erst einmal.«
    Aber da zog H’meen Tonina bereits beiseite. »Nicht wegen der Fallen wollte ich, dass du zurückkommst«, sagte sie, »sondern wegen etwas anderem, was Ixchel erwähnte … «
    Sie warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand zuhörte. »Ich möchte das nicht vor den anderen sagen, solange ich mir nicht sicher bin. Tonina, ich glaube, Ixchel ist deine Mutter.«

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    »Meine Mutter!«
    »Schscht, lass sie das nicht hören.« H’meen schielte hinüber zu Ixchel, die Chac eben ein Baumwolltuch zum Abtrocknen reichte.
    »Aber H’meen.« Verblüfft sah auch Tonina zu Ixchel hinüber. »Das ist unmöglich. Ixchel ist viel zu alt.«
    »Das dachte ich anfangs auch. Aber du solltest ihre Geschichte hören. Meine Vermutung habe ich erst mal für mich behalten, für den Fall, dass ich mich täusche. Ich wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen. Sollte ich mich aber irren, dann verzeih mir, jetzt dich damit überrascht zu haben.«
    Es gab nichts zu verzeihen; Tonina hatte sich keinerlei Hoffnungen hingegeben. Was H’meen da behauptete, war im Gegenteil derart absurd, dass Tonina sich eher Sorgen um den Geisteszustand der königlichen Botanikerin machte als darum, wer Ixchel in Wirklichkeit war.
    Während draußen der Regen niederrauschte, saßen sie um das kleine Feuer herum. Die, die sich im Hof aufhielten, verkrochen sich lieber in ihre wasserfesten Umhänge anstatt nach Hause zu gehen, weil sie unbedingt erfahren wollten, warum Chac und Tonina zurückgerufen worden waren.
    »Als

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