Das Pest-Gewölbe
nichts als Vorwürfe. Sie rollten über ihm zusammen. Er kam mit den Dingen nicht mehr zurecht, alles brach in seiner Umgebung zusammen, diese Nacht würde zu einer entscheidenden werden, und alles hing mit der verdammten Kosmetik zusammen. Was tun?
Er mußte mit Vivian reden, durfte sich nicht von ihr wegschicken lassen.
Er wußte, daß sie seine Hilfe benötigte, auch wenn sie es selbst nicht einsehen wollte.
»Vivian?« Noch einmal rief er ihren Namen. Es war noch ein halbherziger und schwacher Versuch. Wahrscheinlich war der Klang seiner Stimme erst gar nicht zum Bad vorgedrungen, das hielt ihn nicht davon ab, die Tür nun endlich zu öffnen.
Der Verleger betrat das Bad.
Einen dunklen Raum, in dem das Licht fehlte. Er brauchte die Hand nur zur Seite zu strecken, aber mitten in der Bewegung blieb sein Arm hängen.
Da war etwas!
Etwas hatte ihn irritiert…
Ronald bewegte seine Augen. Er klimperte mit ihnen, er war durcheinander. Er schaute dorthin, wo der Spiegel über dem großen Waschbecken an der Wand hing.
Da sah er das Gesicht!
War es wirklich ein Gesicht? Oder glich dieses Oval nur dem schimmernden Abdruck eines Mondes?
Ronald konnte es nicht sagen, er wußte überhaupt nichts mehr. Alles war ihm so fremd geworden. Das Bad – oder war es die Dunkelheit? – flößte ihm plötzlich Furcht ein. Ein kalter Strom erfaßte seinen Körper von innen und von außen. Er fühlte sich nicht mehr als Mensch, er war mehr zu einer Figur geworden, die kaum noch aus eigenem Antrieb heraus handelte. Kopfschmerzen plagten ihn. Er preßte die Hände für einen Moment gegen die Schläfen, ohne allerdings den Blick vom Spiegel zu nehmen, deshalb sah er darin das Gesicht.
Es war kein normales, sondern das Gesicht eines unheimlichen und fremden Wesens.
Eine Fratze mit kalten Augen, die von einer weißen Eisschicht bedeckt waren.
Ronald Greyson wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. Er konnte nicht mehr denken, doch eines stand für ihn fest. Dieses Gesicht stellte für ihn eine Gefahrenquelle dar. So war es, so würde es bleiben, doch es gehörte nicht seiner Frau.
Wo steckte sie?
Der Mann hatte sich zu sehr auf das Gesicht konzentriert und die Umgebung vergessen. Es war sein Fehler gewesen, und als er an die Frau dachte, war es zu spät.
Sie kam von der Seite.
Er hörte zuerst ein böses Knurren, drehte den Kopf nach links und nahm die Gestalt als Schatten wahr.
So seltsam hell, so ungewöhnlich, leicht reflektierend, obwohl sie kein Licht erreichte.
Vivian schlug zu.
Die große, mit Badesand gefüllte Glasflasche traf den Kopf des Mannes.
Der Verleger taumelte. Er bekam noch den irren, unbeschreiblichen Schmerz mit. Er fiel gegen die Wand, sein Sehvermögen war stark geschwächt worden, und er sah, wie die Gestalt vor ihm abermals den Arm hob und wieder zuschlug.
Der zweite Treffer.
So brutal und wuchtig, daß sich der Mann nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
Er sackte in die Knie. Seine Beine berührten den Boden, der Schädel wurde von dem wütenden Schmerz auseinandergerissen. Der dritte Hieb streifte ihn nur noch.
Ronald Greyson lag am Boden.
Blut sickerte aus der Kopfwunde und breitete sich als Lache aus. Die Gestalt ging zurück. Sie stellte die Schlagwaffe wieder ab und hörte zugleich die Stimme aus dem Spiegel.
»Jetzt hast auch du es geschafft…«
»Ja, Cosima, ja…« Vivian breitete die Arme aus. »Aber wie geht es weiter?«
»Komm her zu mir!«
»Und dann?«
Aus dem Spiegel streckten sich ihr zwei Hände und Arme entgegen.
»Komm her…«
Und Vivian ging. Wie im Traum trat sie an das Waschbecken heran. Sie umfaßte die Hände, als wären sie ein Rettungsanker. Sie waren kalt, sehr kalt, aber anders als die Hände der Toten. Eine genau Erklärung wußte sie auch nicht.
Eine starke Kraft hob Vivian an. Ihre Füße lösten sich zuerst vom Boden, dann schwebte sie waagerecht in der Luft und wenig später auf den Spiegel zu.
Er war jetzt ihr neues Zuhause…
***
Die Buchmesse!
Längst nicht so groß wie in Frankfurt oder in den Staaten, aber immerhin ein kleines Ereignis für die Fachwelt und auch für den interessierten Laien.
Ich hatte noch einmal mit unserem Freund Bill Conolly telefoniert und mich erkundigt, ob es bei unserer Verabredung blieb. Er hatte nichts dagegen gehabt, und wir hatten ausgemacht, uns am Eingang zu treffen.
»Bringst du Sheila mit?«
»Nein, sie will nicht. Das Fieber hat sie erwischt.«
»Ist sie krank?«
»Unsinn, es ist das
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