Das Pest-Gewölbe
Er hat nichts von seiner gewaltigen Kraft verloren.«
»Zauber?« hauchte Vivian zurück. »Welcher Zauber?«
»Du wirst noch von ihm hören.«
»Ja, das ist gut…«
Sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden, und es machte ihr auch nichts aus, daß sie nicht alles wußte. Aber sie konnte inzwischen fühlen, daß sie zu einer anderen Person geworden war. Sie würde sich selbst nicht mehr als einen Menschen bezeichnen, sondern mehr als ein Wesen, aber sie würden den Kontakt zu den Menschen behalten, das war ihr von der neuen Freundin gesagt worden, und darauf freute sie sich, weil es ein besonderer Kontakt sein sollte. Einer, der nur schwer zu erklären war. Ein Kontakt über weitere Strecken hinweg, über Mauern und Wände. Wunderbar und einmalig, kaum erklärbar, zumindest für die Menschen nicht, die nicht daran glaubten.
Aber sie glaubten daran, während sie weiterhin durch das Dunkel strichen wie zwei Raubtiere auf der Suche nach Beute.
Ein Mensch hätte hier unten nichts sehen können. Bei ihnen lagen die Dinge anders. Ihre weißen Augen waren wie Lampen, deren Licht nicht nach außen, sondern nur nach innen drang und ihnen die Bilder im Kopf vermittelten, die sie auch gesehen hätten, wäre diese Tiefe hell erleuchtet gewesen.
Das alte Mauerwerk stank schrecklich, – nach verfaultem Wasser und modrigen Leichen. Manchmal platschten ihre Füße durch Wasserpfützen, was ihnen nichts ausmachte. Wie Geschwister durchstreiften sie auch weiterhin das Gewölbe, als wären sie auf der Suche nach irgendeiner Beute. Cosima blieb stehen.
Auch Vivian konnte keinen Schritt mehr gehen. Sie wartete ab, denn sicherlich hatte Cosima einen Grund, den Weg nicht mehr fortzusetzen.
Es verstrich Zeit, in der nichts geschah, dann aber hörte Vivian die rauhe Flüsterstimme der Freundin.
»Es ist soweit…«
»Was?«
Ein Lachen erreichte ihre Ohren. Es klang gespenstisch, dann folgten die nächsten Worte. »Ja, es ist wunderbar. Unser Plan steht kurz vor der Erfüllung, meine Freundin.«
Vivian kam damit nicht zurecht. »Was meinst du damit?«
»Wir haben die Falle aufgestellt. Drei sind hineingetappt. Drei haben das gleiche getan wie du.«
Jetzt begriff sie. »Meinst du, daß sie… daß sie sich die Salbe in die Gesichter…?«
»Ja, sie haben es.«
»Und?«
Das Kichern klang hohl. »Keine Sorge, meine Teure, wir werden bald schon Besuch bekommen, sehr bald…«
***
»Eigentlich war es ja blöd«, sagte Janina.
»Was war blöd?« fragte Wilma.
»Daß wir uns das Zeug in die Gesichter geschmiert haben.«
Wilma Oehler hob nur die Schultern und schaute die dritte im Bunde an.
»Was sagst du denn dazu, Monika.«
Die Angesprochene löffelte erst an ihrem Eis und meinte dann: »Es ist mir im Prinzip egal. Schaden kann es ja nicht – oder? Außerdem waren wir mutig.«
»Das stimmt.« Wilma nickte. »Im Gegensatz zu unseren tollen Begleitern, den Kavalieren, den Hundesöhnen, den…«, sie winkte ab.
»Was weiß ich nicht alles.«
»Die haben sich eben festgelesen«, sagte Janina. Wilma war ärgerlich.
»Nimm sie doch nicht immer in Schutz. Auch wenn das der Fall gewesen sein sollte, Zeit genug, um auf die Uhr zu schauen, haben sie immer noch gehabt.«
»Das stimmt!« erklärte Monika.
Die drei jungen Frauen hatten sich abseits des Trubels in eine der Ruheinseln gesetzt, wo sie etwas essen und auch trinken konnten.
Mittlerweile war die Halle ziemlich voll und die Luft in den schmalen Gängen zum Schneiden dick. Es war schon eine Qual, sich da durchschieben zu müssen. Sie hatten es besser, und sie waren davon überzeugt, daß sie ihre drei Freunde irgendwann trafen. Mit dem schlechten Gewissen würden Stefan, Uli und Jochen immer nach ihnen suchen, das stand fest.
Nur Monika löffelte Eis. Janina hatte sich ein Bier bestellt, während Wilma Kaffee trank.
Warten, schauen, Müdigkeit spüren und es sich bequem machen. Auch die Jacken hatten sie ausgezogen, es war einfach zu warm.
Janina schüttelte sich.
»Hast du was?«
»Weiß nicht.«
»Du hast dich doch geschüttelt«, sagte Wilma. »Ja. Und nicht nur das.«
Janina verzog das Gesicht. Dann schabte sie über ihre Haut. »Es brannte«, erklärte sie. »Das ist vielleicht ein Gefühl. Es brannte genau dort, wo ich die Haut eingecremt habe.«
Wilma wollte lachen. Es gelang ihr nicht so richtig, deshalb sagte sie:
»Du spinnst. Dann müßte es bei mir auch brennen!«
»Jede Haut reagiert anders.«
»Das stimmt.« Wilma wandte sich an Monika
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