Das Pest-Gewölbe
kalt geworden, so anders, und als die Hand Monikas Gelenk umklammerte, da kam ihr der Griff so hart vor wie die Seiten eines Schraubstocks. »Wir werden gehen, wir werden gemeinsam gehen, verstehst du?«
Monika nickte nur.
»Ich will auch hin!«
Keiner hatte bisher auf Janina Leschborn geachtet. Urplötzlich hatte sie gesprochen, und die beiden anderen Frauen damit überrascht. Sie wunderten sich über die Klarheit der Stimme. Janina wollte sich nichts mehr vormachen lassen. Für sie gab es jetzt ein Ziel, denn die andere Seite hielt auch sie unter Kontrolle.
Monika Lüttgen fürchtete sich. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Noch einmal blickte sie in die Gesichter der beiden anderen und las in den Augen die Gnadenlosigkeit, die sie erschreckte. Was immer auch bisher geschehen war, sie fühlte sich davon nicht betroffen, und sie dachte auch nach. Wenn sie jetzt ging, dann war sie möglicherweise verloren, dann war alles vorbei. Das waren nicht mehr dieselben Personen, mit denen sie nach London gefahren war. Sie hatten sich verändert. Sie waren nicht mehr sie selbst.
»Nun?« Janinas Flüstern klang wie eine Drohung. Es machte ihr auch nichts mehr aus, daß die Haut an einer bestimmten Stelle ihres Gesichts verschwunden war. Sie hatte sich noch stärker gedreht als Wilma Oehler.
»Gut, gut. Ich bin dabei.« Monika nickte hektisch. Sie spürte den kalten Schweiß auf ihrem Rücken, der das T-Shirt durchnäßt hatte. Sie mußte so tun, als gäbe es keine andere Möglichkeit, aber sie dachte anders darüber.
Wilma hielt noch immer die Hand der Freundin fest. Sie lockerte den Griff erst, als sie Monikas Nicken sah. Und die nutzte ihre einzige Chance aus. Blitzartig riß sie sich los, drehte sich noch und rannte wie vom Teufel gejagt.
Einfach weg, egal wohin. Sie wollte nicht bleiben, sie wollte nichts sehen, sie wollte mit diesen beiden Veränderten nichts zu tun haben. Ein Ruf erreichte ihre Ohren. Wilma oder Janina hatten sie dadurch noch aufhalten wollen, aber Monika Lüttgen lief und lief. Sie schaute auch nicht, wohin sie der Weg trieb, sie fauchte ein in die schmalen Gänge zwischen den einzelnen Ständen, sie rempelte Menschen an, sie prallte gegen mit Büchern gefüllten Ständer, sie hörte Beschimpfungen und Flüche und konnte nur hoffen, daß sie es irgendwann schaffte, den Ausgang zu erreichen, was allerdings mehr einem Zufall gleichkam.
Das Hindernis bemerkte sie erst, als es zu spät war. Da war sie bereits dagegen geprallt.
Es war keine Säule und auch keine Boxenwand, es waren die beiden Körper zweier Menschen, die beinahe wie aus dem Nichts erschienen waren und Monika Lüttgen aufgehalten hatten.
Die junge Frau atmete hektisch. Sie merkte, daß sie festgehalten wurde, wollte sich losreißen, aber der Mann oder die Männer ließen es nicht zu.
»He, was ist denn los mit Ihnen?«
Die Frau blickte in die Höhe. Dabei atmete sie keuchend, sah über sich ein Gesicht, dessen Züge noch verschwammen und sich nur allmählich klärten.
Sie erkannte den Mann.
Er war der, der bei ihnen am Stand des Greyson-Verlags gewesen war, als sie sich mit der verfluchten Kosmetik eingecremt hatten…
***
Auch für mich war diese Aktion überraschend erfolgt, für Suko ebenfalls, der sich wunderte und nur den Kopf schüttelte, bevor er fragte: »Was ist denn los mit dir?«
»Ich kenne die Frau.«
»Und weiter?«
»Siehst du nicht, in welch einer Verfassung sie ist? Da muß einfach etwas passiert sein.«
»Ihr wird vielleicht übel geworden sein, oder sie hat…«
»Nein, das nicht.« Ich blickte in das Gesicht der Frau und hörte, wie sie ihren Namen stammelte und davon sprach, daß etwas Furchtbares geschehen wäre.
Was stimmte oder nicht, wußte ich nicht. Für mich war es wichtig, daß ich Einzelheiten erfuhr, die sie uns aber nicht zwischen den Ständen erzählen sollte. Ich wollte einen etwas ruhigeren Platz suchen und sie befragen.
Zwischen zwei Ständen, wo ein künstlicher Baum wuchs, an dem Bücher hingen, blieben wir stehen. Das komische Gewächs gab uns einigermaßen Deckung, und auch die junge Frau hatte sich wieder fangen können.
Ihre Augen befanden sich ständig in Bewegung, als hätte sie vor irgend etwas starke Angst.
Sicherlich sprach sie auch Englisch. Um eine vertrautere Umgebung zu schaffen, redete ich sie in ihrer Muttersprache an, was ihr auch etwas Sicherheit gab, denn die Augen verloren den ängstlichen Glanz. Wir stellten uns vor, das gab ihr zusätzliche Sicherheit, und
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