Das Pest-Gewölbe
Lüttgen. »Wie ist das denn bei dir? Spürst du auch etwas?«
»Nun ja, ich…«
»Rede schon!«
Monika lächelte, aber es sah wenig echt aus. »Ich wollte es eigentlich für mich behalten, aber ein bißchen komisch ist mir auch, wenn ich ehrlich bin.«
»Wie komisch denn?«
»Auf der Haut, Wilma. Da liegt ein Gefühl der Spannung.« Monika Lüttgen verzog die Lippen, kniff sie sofort wieder zusammen, und es sah aus, als würde ihr die Mimik Schmerzen bereiten.
»Das habe ich auch zuvor gehabt!« flüsterte Janina. »Dann fing es an zu brennen.« Sie preßte beide Handflächen gegen ihre Wangen. »Und jetzt wieder. Mein Gott, was haben wir uns angetan?« In ihre Augen kroch die Furcht. Sie drehte abwechselnd den Kopf, um ihre Freundinnen anzuschauen, aber die schwiegen.
Auch Wilma hatte ihre Sicherheit verloren. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Mehr aus Verlegenheit trank sie einen Schluck Kaffee, der längst kalt geworden war, und konzentrierte sich auf ihre Haut. Die brannte nicht. Wahrscheinlich hatte sie eine robustere Haut, und sie hörte zu, wie Monika Lüttgen vorschlug, in den Waschraum zu gehen und sich das Gesicht zu reinigen.
Janina Leschborn nickte. Sie stand schon auf. »Das wird wohl am besten sein.«
Auch die anderen beiden standen auf. Hinter ihnen befand sich die Hallenwand. Es gab verschiedene Türen, die die Reihe auflockerten.
Einige von ihnen dienten als Notausgänge. Andere wiederum führten zu den Toiletten.
Beinahe fluchtartig stürmten die drei jungen Frauen auf eine Tür zu. Vor ihnen wurde sie aufgestoßen, und Janina konnte sich im letzten Moment zur Seite drehen, sonst wäre sie getroffen worden. Hinter den dicken Gläsern einer Brille funkelten sie zwei Augen böse an. Sie gehörten zum breiten Gesicht einer matronenhaften Frau, die schnell die Toilette verlassen hatte.
»Könnt ihr nicht aufpassen?«
»Sorry.« Janina drückte sich an ihr vorbei und betrat den Wasch- und Toilettenraum. Zum Glück gab es vier Waschbecken, und drei davon waren frei.
Auch vor dem letzten drehte eine Frau ab und verließ die Toilette. So waren die drei allein.
Nebeneinander standen sie und betrachteten ihre Gesichter in den Spiegeln. Jede konnte erkennen, was geschehen war.
Die Haut hatte sich verändert. Sie war bei allen heller geworden.
Besonders Janina litt darunter. An ihren Wangen war die Haut sogar etwas aufgequollen und erinnerte an einen wäßrig schimmelnden Pudding.
Mit der Hand rieb sie darüber hinweg.
Wilma und Monika taten nichts. Sie staunten Janina nur an, als ahnten sie, daß etwas Schlimmes passieren würde.
Das Grauenhafte trat ein.
Mit einem leisen Schrei fuhr Janina Leschborn vom Waschbecken zurück, und die beiden anderen erkannten mit Schrecken, was ihre Freundin zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.
Es war ein Stück Haut!
Die drei Freundinnen waren nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben. Sie redeten auch kein Wort. Zwischen ihnen schien plötzlich eine Wand aus Eis zu stehen.
Janina hatte es am schlimmsten getroffen. Sie wußte nicht, wohin sie schauen sollte. Sie sah auf den Rest zwischen ihren Fingern, aber der Ausdruck in den Augen zeigte Unglauben, wie die beiden anderen im Spiegel erkannten.
Doch sie sahen noch mehr.
Janina hatte ihre Haut an der rechten Wange abgezogen. Dort hätte sich normalerweise eine blutige Wunde befinden müssen, doch statt dessen glänzte ein Hautstück hell und silbrig, als wäre dicht unter der normalen Haut eine hauchdünne Membran gespannt worden. »Was ist das?« ächzte Monika.
Wilma hob die Schultern. Auch sie war totenblaß geworden. Janina starrte nur in den Spiegel. Plötzlich fing sie an zu weinen, sackte zusammen und preßte ihre Hände gegen das Gesicht.
Ihre Freundinnen standen hilflos daneben. Sie kamen sich vor, als wären sie der Wirklichkeit entrissen worden. Janina verhielt sich wie ein kleines Kind, das niemand anschauen sollte. Der Rücken zuckte, sie hatte den Kopf noch tiefer gedrückt, die Arme angewinkelt und preßte das Gesicht dazwischen.
»Was sollen wir denn jetzt tun?« flüsterte Monika Lüttgen entsetzt, wobei sie sich umschaute, aber es war niemand da, der ihnen helfen konnte.
Auch Wilma Oehler war ratlos. Sie, die ansonsten immer so forsch war, stand ebenfalls vor einem Rätsel. Da war etwas geschehen, womit die drei Frauen überhaupt nicht zurechtkamen. Eine fremde, böse Macht hatte eingegriffen und die Kontrolle über sie bekommen. Es war wichtig, daß sie aus diesem
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