Das Pest-Gewölbe
ist.«
Suko hatte genau die richtigen Worte gesagt. Er war auch schon weg, bevor ich ihn noch ansprechen konnte. Zurück blieben Monika Lüttgen und ich. Sie hatte die rechte Hand erhoben. Mit den Fingerkuppen glitt sie über ihr Gesicht. Noch immer schaute sie ängstlich in die Runde. Sie schluckte, es fiel ihr schwer zu reden, und ich machte ihr Mut. Ich sprach davon, daß ich sie nicht aus den Augen lassen würde, was bei ihr ein Lächeln hinterließ.
»Haben Sie denn eine Erklärung dafür?«
»Noch nicht.«
»Aber Sie glauben daran?«
»Ja. Wenn ich mir Ihr Gesicht anschaue, hat sich dort wirklich etwas verändert. Ihre Haut sieht ganz anders aus. Sie ist weich und aufgerauht. Sie ist…«
»Ich weiß schon, was sie ist. Wenn das Brennen nicht schlimmer wird, kann ich damit leben. Aber was ist mit Wilma und Janina? Himmel, wir müssen sie finden.«
»Wird geregelt.« Wahrscheinlich hatte die junge Frau kaum mitbekommen, daß sie von mir zur Seite geführt worden war. Ich wollte nicht mehr dort bleiben, wo wir miteinander gesprochen hatten. Es gab an einigen Stellen in der Halle Info-Stände. Dort würde man mir sicherlich weiterhelfen können.
Die Luft kam mir verändert vor. Okay, es war wärmer geworden, aber darüber stolperte ich nicht. Es ging um etwas anderes. Es war zwar übertrieben, von einem Hauch des Bösen zu sprechen, der diese Messehalle durchwehte, aber so ganz zur Seite drücken wollte ich dieses Gefühl nicht. Es hatte sich etwas verändert, ich ging mit ganz anderen Augen durch die Halle und hatte den Info-Stand sehr bald gefunden.
Dahinter bewegten sich zwei Personen. Eine junge Hosteß, die ich bewunderte, weil sie sehr ruhig blieb und dabei noch lächelte, aber ich sah auch einen Mann, der ziemlich offiziell aussah, eine blaue Jacke trug und eine graue Hose. Sein Hemd war weiß, die Krawatte zeigte ein dezentes Streifenmuster.
Ich winkte ihm zu. In seinem hageren Gesicht hoben sich die Augenbrauen. »Sir?«
»Sind Sie von der Messeleitung?«
»Es könnte sein. Warum?«
Es war zu sehen, daß er keine Lust hatte, mir Fragen zu beantworten.
Um ihn von seinem hohen Roß zu holen, präsentierte ich ihm meinen Ausweis.
»Scotland Yard?« Er zuckte plötzlich zusammen. »Meine Güte, es ist doch wohl kein Anschlag der IRA geplant?«
»Das nicht«, sagte ich. »Es geht um etwas anderes.«
»Um was?«
»Kennen Sie das Pest-Gewölbe?«
Er starrte mich für einen Moment erschreckt an. Dann verließ er seinen Platz hinter dem Stand und kam mit schnellen Schritten um ihn herum.
Er blieb neben mir stehen, senkte die Stimme, so daß ich Mühe hatte, die nächste Frage zu verstehen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Dann gibt es dieses Gewölbe?«
»Ja, aber ich…«
»Wo? Und wie gelangt man hinein?«
»Überhaupt nicht, Sir. Der Zugang ist verschlossen. Es ist eine alte Eisentür. Das Gewölbe stammte noch aus alter Zeit, von dem großen Brand im letzten Jahrhundert, und es hat nicht ohne Grund diesen Namen erhalten!«
»Man hat also dort die Pesttoten hingelegt. Ähnlich wie damals in Wien – nicht wahr?«
»So kann es gewesen sein.«
»Andere Frage, wer hat den Schlüssel?« Mit einem Tuch tupfte er über seine Stirn. »Das ist nicht einfach zu sagen, Sir.«
»Besitzt ihn jemand?«
»Wird wohl…«
»Wunderbar, Mister…«
»Hancock, Gerald Hancock.«
»Hervorragend, Mr. Hancock. Dann bringen Sie uns zu dem Menschen, der den Schlüssel hat.«
»Ich kenne ihn nicht. Wir von der Messe haben damit nichts zu tun. Es ist über all die Jahre verschlossen gewesen. Niemand denkt auch nur im entferntesten daran, das Pest-Gewölbe zu betreten. Das ist ein Relikt aus vergangener Zeit. Es wird vielleicht irgendwann einmal zugeschüttet, das ist alles.«
»Aber jeder kennt es.«
»Nicht jeder.«
»Warum haben Sie Furcht davor?«
»Das habe ich nicht, Mr. Sinclair. Nur hat sich niemand dafür interessiert.«
Ich begriff. Möglicherweise tat ich ihm auch unrecht. Wer hier mithalf, eine Messe zu organisieren, den interessierte beileibe kein Pest-Gewölbe. Der hatte wohl davon gehört, doch danach zu suchen und es zu erforschen, war wohl nicht seine Sache.
»Sie kennen den Weg, Mr. Hancock?«
»Das schon.«
»Dann bringen Sie uns hin.«
»Wie bitte?«
»Ja, bringen Sie uns bis vor die Tür.«
Für einen Moment schloß er die Augen, bevor er gottergeben nickte.
»Darf ich noch mal telefonieren?«
»Bitte, aber rasch. Es kann sein, daß es bei uns auf Minuten ankommt. Holen
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