Das Pest-Gewölbe
was!«
»Sollen wir auf die beiden warten?«
»Hier?«
»Wo sonst?«
»Das hat keinen Sinn«, sagte Stefan Krüger. »Woher willst du das wissen?«
»Uli, ich weiß es, ich habe Janina gesehen. Ich sah ihr Gesicht, es war grauenhaft, es war furchtbar. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das war kein Gesicht mehr. Sie hatte an der rechten Wange keine Haut, versteht ihr? Die war weg, wie abgerissen, und ich sah sie auch, wie sie sich am Hals aufgerollt hat.« Er schüttelte sich. »Und dann hat sie nicht mal geblutet.«
Seine Freunde schwiegen. Sie alle fühlten sich wie vor den Kopf geschlagen. Sie wußten nicht mehr, was sie machen sollten. Diese Dunkelheit, in der sie nichts sahen, lähmte auch ihre Gedanken. Sie waren gekommen, um sich auf einer Buchmesse umzuschauen und nicht, um in einem Pest-Gewölbe zu verrecken. Ja, verrecken!
Stefan kam dieser Gedanke, und er war es auch, der ihn flüsternd aussprach.
»Was sagst du da!« zischte Uli. »Wir…«
Ein gellendes Lachen sorgte dafür, daß ihm das nächste Wort auf den Lippen erstarb.
Das Lachen war schrecklich.
Eine schaurige Botschaft, deren Echos sich immer wieder aufs Neue bildeten und sie umtosten. Sie kamen sich vor wie eingekesselt, sogar die Ohren hielten sich die jungen Männer zu.
Über das Schlimmste aber sprachen sie nicht. Sie trauten sich nicht, denn jeder von ihnen wußte, wer dieses gellende und teuflische Gelächter ausgestoßen hatte.
Wilma Oehler und Janina Leschborn…
***
Ich hoffte, alles richtig gemacht zu haben, und ich hoffte auch, daß ich sehr bald von Suko und Bill Unterstützung erhielt, denn dieses vor mir liegende Gewölbe war mir nicht geheuer, obwohl ich noch keinen Schritt hineingesetzt hatte und an der zweiten Tür, dicht hinter dem Ende der Treppe, stehengeblieben war.
Ich roch das alte, dicke, auch leicht vermoderte Holz.
Es stank nach Schimmel und Fäulnis. Es sah so weich aus, als könnte man es mit der Hand durchstoßen, was sich als Irrtum herausstellte, als ich es anfaßte. Ich mußte die Tür schon normal öffnen und zerrte sie an einem rostigen Griff auf.
Sofort erwischte mich die Luft.
Sie drang durch den immer größer werdenden Spalt wie ein kalter, fauliger Gruß aus einer finsteren Gruft. Das Wort finster traf schon zu, denn beim ersten Blick in das Gewölbe sah ich nichts. Ich brauchte einfach Licht. Im Dunkeln würde ich mich nicht orientieren können.
Dem Gestank nach zu urteilen, hatte dieses Gebiet den Namen Pest-Gewölbe zu recht bekommen. Ich rechnete auch damit, daß ich über irgendwelche bleichen Gebeine stolperte, wenn ich nicht achtgab, denn mit Pesttoten war man im auslaufenden Mittelalter ziemlich radikal umgegangen. Man hatte sie kurzerhand in Gruben geworfen, und damit hatte es sich dann. Manche waren noch nicht mal tot gewesen, und sie hatten dann zwischen all den Leichen ihr Leben ausgehaucht.
Ich war über die Schwelle getreten und hörte, wie die Tür hinter mir zuschwang. Die dabei entstehenden Geräusche glichen einem knarrigen Lachen, das mir galt, weil ich so dumm gewesen war, diese verfluchte Welt zu betreten.
Ich stand auf einem harten, aber unebenen Boden. Ging ich weiter, mußte ich die Füße schon hochheben. Im Dunkeln wollte ich das Gewölbe nicht erforschen, deshalb zückte ich meine lichtstarke Bleistiftleuchte, die auch mit dieser fettigen Finsternis zurechtkam.
Ich hatte sie hervorgeholt, hielt sie in der rechten Hand, hob den Arm an und leuchtete schräg in die Tiefe. Wie ein bleicher Schnitt fiel der Kegel von oben nach unten und wanderte über den Boden und altes Mauerwerk, als sollte es hier ein ähnliches Labyrinth bilden wie in Kreta das des Königs Midas.
Noch war ich dicht am Ausgang stehengeblieben und dachte über mein ungewöhnliches Gefühl nach. Irgend etwas stimmte nicht. Ich hatte einfach den Eindruck, nicht allein zu sein. Zwar konnte ich niemand erkennen, doch es waren irgendwelche Strömungen vorhanden, die darauf schließen ließen.
Oder lag es am Geruch? Hatte ich nahe der Tür nicht diesen Parfümgeruch wahrgenommen?
Ich wußte es nicht, ging weiter und suchte nach einer Lücke im Mauerwerk, das keine einheitliche Farbe aufwies. Mal dunkler und auch mal heller war. Es schimmerte dort heller, wo der Schimmel eine weißgrüne Fläche hinterlassen hatte.
Ich fand eine Lücke, strahlte hinein und entdeckte einen relativ breiten Gang.
Wohin er führte war nicht zu sehen. Jedenfalls konnte ich durch ihr tiefer in das Gewölbe
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