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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Kindchen. Ich mache uns Tee und Fladenbrot.«
    Marianne setzte sich auf eine der Holzbänke und hielt ihre kalten Hände ans Feuer. Erst jetzt musterte sie Milli genauer. Die Marketenderin sah heute irgendwie anders aus. Sie war blass, und ihre Augen glänzten fiebrig.
    »Du siehst müde aus, Milli.«
    Milli winkte ab und trat neben ihren Karren.
    »Ja, ja, ich habe schlecht geschlafen.« Sie wühlte in ihren Sachen herum und zog zwei Tonbecher heraus. Plötzlich schwankte sie, einer der Becher fiel zu Boden und zerbrach. Marianne sprang erschrocken auf, trat neben ihre Freundin und stützte sie. Milli war glühend heiß.
    »Guter Gott, Milli!«, rief sie erschrocken. »Du hast Fieber, komm setz dich.«
    »Es geht schon. So schlimm ist es nicht«, wiegelte Milli ab.
    Marianne führte die Marketenderin zu einer der Bänke, musterte sie besorgt und blickte sich dann um.
    »Ich koche den Tee, und du bleibst sitzen und ruhst dich aus.«
    Milli versuchte zu protestieren.
    »Aber …«
    »Kein Aber. Sieh dich doch an. Keine drei Schritte kannst du laufen.« Marianne stemmte die Hände in die Hüften, drehte sich um und begann damit, die Scherben aufzuheben. Danach suchte sie in Millis Sachen einen neuen Becher. Als sie sich wieder umdrehte, saß Milli nicht mehr auf der Bank. Sie war auf den Boden gerutscht und lag zusammengekauert und zitternd im Gras.
    Sofort war Marianne bei ihr.
    Angst befiel sie. Das hier war keine einfache Erkältung, das war klar. Nervös schaute sie sich um. So durfte niemand Milli sehen. Die Leute würden bestimmt gleich das Schlimmste annehmen.
    Sie sank neben der Marketenderin auf die Knie. Milli musste sofort ins Zelt.
    »Komm, Milli.« Sie half der Freundin behutsam auf die Beine. »Du musst dich ausruhen. Ich kümmere mich heute um alles.«
    Milli wehrte sich nicht mehr. Wie ein nasser Sack sank sie auf ihr Lager und schloss die Augen. Marianne deckte sie mit allem zu, was sie finden konnte, und redete auf sie ein.
    »Es ist bestimmt nur eine Erkältung, ein bisschen Fieber. Du wirst sehen: Heute Abend geht es dir bestimmt wieder gut.«
    Tränen der Verzweiflung traten ihr in die Augen. Sie spürte, dass sie sich eher selbst beruhigen wollte. Milli würde heute Abend nicht gesund sein, und ob sie es jemals wieder werden würde, wagte Marianne zu bezweifeln.
    Milli suchte ihre Hand und hielt sie fest, sah Marianne bittend an.
    »Es ist besser, wenn du gehst, mein Kind. Wir wissen beide, was die Stunde geschlagen hat. Du darfst nicht hierbleiben.«
    Marianne wusste, dass Milli recht hatte. Es war der reinste Selbstmord, länger als nötig in diesem Zelt zu bleiben, doch sie würde nicht gehen. Sollte er sie doch endlich holen kommen, der Schwarze Tod. Sie hatte keine Angst. Niemals hatte er sie losgelassen, also konnte er sie jetzt auch mitnehmen, ihr den Frieden schenken und sie zu ihrer Familie bringen, die er ihr genommen hatte – genauso wie ihr Leben.
    Verstockt schüttelte sie den Kopf.
    »Ich gehe nirgendwo hin. Mich schreckt er nicht ab. Soll er nur kommen.«
    »Es ist so heiß«, flüsterte Milli, schloss die Augen und griff sich an den Kopf. »Und der Kopf fühlt sich an, als würde er zerspringen.«
    Marianne stand auf.
    »Ich gehe und hole Wasser. Eine Erfrischung wird dir bestimmt guttun.«
    Sie wischte sich die Tränen ab und trat aus dem Zelt. Vor dem Feuer stand der alte Otto und sah sie überrascht an.
    »Marianne! Was tust du denn hier? Und wo ist Milli?«
    »Ich habe nach Milli gesucht«, antwortete Marianne, innerlich fluchend. Warum musste der alte Mann ausgerechnet jetzt auftauchen. »Aber sie ist nicht da.« Sie biss sich auf die Zunge.
    »Aber das Feuer brennt doch.« Otto sah sich misstrauisch um.
    »Das habe ich angezündet. Ich wollte ihr eine Freude machen«, sagte Marianne schnell.
    »So kenne ich Milli gar nicht. Sonst ist sie um diese Zeit doch immer da.« Otto wandte sich zum Gehen.
    »Ich werde ihr ausrichten, dass du hier gewesen bist, Otto«, rief Marianne dem alten Mann erleichtert hinterher. Als er außer Sichtweite war, ging sie zum Karren, zog einen Eimer heraus und lief eilig zum nahen Bach.
    Wenig später saß sie wieder bei Milli am Krankenlager, legte ihr feuchte Tücher auf die Stirn, gab ihr zu trinken und las ihr aus der Bibel vor, die sie neben dem Bett gefunden hatte. Milli redete kaum noch. Ihre Augenlider flatterten unruhig, manchmal stöhnte sie ein wenig. Immer wieder holte Marianne frisches Wasser, doch ansonsten verließ sie ihren Platz

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