Das Pestkind: Roman (German Edition)
Eimern und toten Hühnern an ihnen vorüber. Vor Wrangels Zelt waren Wachleute postiert, genauso wie am Eingang zum Feldherrenhof. Die Männer nahmen es heute Morgen allerdings nicht allzu genau mit ihrer Arbeit und spielten Karten.
Marianne und Helene schlichen hinter ihr Zelt und schlugen einen kleinen Feldweg ein, der zwischen einigen Haselnusssträuchern direkt zu dem bunten Leben des eigentlichen Trosses führte.
Fröhlich traten die beiden Hand in Hand zwischen den Büschen hervor, doch dann blieb Helene abrupt stehen und ließ die Hand der Freundin los. Marianne blickte sich verwundert um.
Helenes Augen waren weit aufgerissen, und aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen. Marianne folgte ihrem Blick und erstarrte ebenfalls. Am Ende des Weges, keine zehn Meter von ihnen entfernt, stand Friedrich, ein Pferd am Zügel, und starrte Helene an.
Er ließ die Zügel des Pferdes los und lief auf die beiden zu. Helene wich zurück und zog hektisch an Mariannes Ärmel.
»Schnell, weg hier.« Ihre Stimme zitterte.
Marianne ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Anblick Friedrichs, der wie ein Racheengel mit finsterer Miene auf die beiden Frauen zukam, erschreckte sie zutiefst. Er sah schrecklich aus, seine Kleidung war schmutzig, und sein schwarzes Haar stand wirr von seinem Kopf ab. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn, seine Hose war zerrissen, und eine große Fleischwunde klaffte an seinem Schienbein, doch dies alles wäre noch irgendwie zu verstehen gewesen, dachte Marianne, während sie durch das Wäldchen davonrannten, aber seine Gesichtsfarbe, die fahlen Wangen, überzogen von roten Flecken, und der Wahnsinn, der in seinen Augen stand, ließen sie bis ins Mark erzittern.
Helene rannte immer schneller, so dass Marianne kaum mit ihr mithalten konnte. Sie stolperte über herumliegende Äste und wäre beinahe in den kleinen Bach gefallen, der sich hier seinen Weg bahnte.
»Helene, so warte doch!«, rief sie und hielt sich, völlig außer Atem, an einem Baum fest. »Ich kann nicht so schnell.« Nach Luft japsend, verfluchte sie das Korsett. Helene blieb nur widerwillig stehen.
»Er kommt. Ganz sicher. Er ist wegen mir gekommen, bestimmt will er mich töten.«
Marianne ging auf Helene zu und hob beruhigend die Hände. Die Freundin war vollkommen aufgelöst.
»Wieso sollte er das tun? Auch wenn er krank ist, du hast ihn doch nicht angesteckt. Wer weiß, wo er sich die Krankheit geholt hat? Das kann doch überall gewesen sein.«
»Das sehe ich anders«, antwortete Friedrich direkt hinter ihnen. Erschrocken drehten sich die beiden um.
Friedrich trat näher. Er schwankte leicht und hielt sich an einem Birkenstamm fest.
»Und sie weiß es auch. Sieh sie dir genau an, deine sogenannte Freundin.« Er deutete auf Helene, die erstarrte und ihn mit aufgerissenen Augen anblickte.
»Eine Sünderin ist sie, ein leichtes Mädchen, wenn du es sittsam ausdrücken möchtest, oder eine billige Hure, wenn wir die Dinge beim Namen nennen wollen.«
Er machte einen weiteren Schritt auf beide zu. Helene versteckte sich schutzsuchend hinter Marianne, der das Herz vor Aufregung bis zum Hals schlug.
»Sieh mich an, Mädchen, mich, den getreuen Soldaten Wrangels, den Helden auf dem Schlachtfeld. Weißt du, wie es ist, an der Syphilis zu sterben? Grausam soll es sein, viel schlimmer als jeder Tod im Kampf.«
Marianne schob Helene noch ein Stück nach hinten. Friedrich fixierte sie wie eine Beute. Er war krank, geschwächt und müde. Aber irgendetwas hatte er an sich, was ihr jeden Mut raubte. Wie eine Marionette starrte sie in sein fahles Gesicht und die vom Fieber glänzenden Augen.
»Lass sie in Ruhe, Friedrich«, ertönte plötzlich Alberts Stimme.
Friedrich zuckte zusammen und blickte sich um. Albert und Claude kamen auf sie zu. Marianne seufzte erleichtert, doch Friedrich nutzte den Moment der Ablenkung, machte einige Schritte auf die beiden zu und gab Marianne einen Stoß. Unsanft landete sie im Bach. Er riss Helene an sich und legte den Arm um sie. Panisch schrie sie auf. Ein Messer blitzte plötzlich in Friedrichs Hand. Claude und Albert traten, zusammen mit weiteren Männern, näher, und Albert half Marianne dabei, aufzustehen.
»Geht es dir gut?« Er sah Marianne prüfend an. Friedrich machte mit Helene im Arm einige Schritte rückwärts, das Messer an ihrer Kehle.
Albert versuchte, ihn zu besänftigten, während Marianne hinter Claude Schutz suchte, der die Hand auf seine Pistole legte.
Friedrich rann der
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