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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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hatte ihn sein militärischer Erfolg arrogant gemacht, vie l leicht hätte sich aber auch ein solcher Mann nie und nimmer in ein Leben als Landede l mann zurückzi e hen sollen. Die Art und Weise seiner Haushaltsfü h rung ließ jedenfalls nicht die Spur von Weisheit e r kennen. Offensichtlich amüsierte ihn jede Demüt i gung seiner Frau auf perverse Weise. Sie stammte aus einer reichen Familie ohne gute Verbi n dungen, eine geistlose Schönheit, in deren Äußeres sich der Oberst für kurze Zeit vergafft hatte. Alle r dings nur so lange, bis er ihre Mitgift eingesackt ha t te. Seither hatte er keine Gelegenheit verstreichen lassen, ohne ihre Verbindungen herabzusetzen oder ihre Auffa s sungsgabe zu beleidigen. Obwohl sie noch immer ziemlich schön war, war sie nach den langen Jahren derartiger Behandlung empfindlich geworden. Bedrückt und nervös sorgte sie sich stä n dig darum, was ihr Ehemann nun wieder an ihr au s zusetzen hätte, und hielt damit auch das Personal immer am Rande des Nervenzusammenbruchs. Stä n dig stieß sie die Tagesabläufe des Haushalts um, s o dass selbst die einfachsten Aufgaben mühsam wu r den. Der Sohn der Bradfords war ein betrunkener Prahlhans und Schwerenöter, der sich glückliche r weise meistens in London aufhielt. Während seiner seltenen Anwese n heit im Herrenhaus versuchte ich, mich dort mit Au s reden um eine Arbeit zu drücken. Und wenn ich mir das nicht leisten konnte, ging ich ihm möglichst aus den Augen und sorgte dafür, dass ich nie in die Falle lief, mit ihm allein zu sein. Miss Bradford war, wie schon erwähnt, eine stolze und mürrische junge Frau, deren einziger Funken Güte aus echter Sorge um ihre unglückliche Mutter zu en t springen schien. In Abw e senheit ihres Vaters schien sie die Nerven ihrer Mutter beruhigen und ihre U n ruhe besänftigen zu kö n nen. Dann konnte man dort auch arbeiten, ohne Schimpfkanonaden und Wuta n fälle befürchten zu müssen. Aber kaum war der Oberst wieder da, zuckte jeder w ie ein Köter in E r wartung eines Fußtritts z u sammen, angefangen von Mistress Bradford nebst Tochter bis hinunter zur niedrigsten Küchenmagd.
    Da Bradford Hall in bescheidenem Umfang über angemessenes Personal verfügte, wurde nur nach mir geschickt, wenn man Einladungen von gewisser Größe beziehungsweise Wichtigkeit gab. Im Herre n haus gab es einen großen Raum, der mit einer voll gedeckten Tafel sehr gut wirkte. Dann wurden die beiden großen Räucherbänke aus den Wandnischen gezogen und ihr dunkles Eichenholz so lange poliert, bis es schwarz glänzte. Zur Herbstzeit, kurz nach dem Schweineschlachten, roch es manchmal durc h dringend nach frisch gepökelten Speckseiten, aber im Spätsommer war der Speck längst verspeist, sodass sich nur noch ein angenehm leichtes Raucharoma unter den frischen Duft nach Bienenwachs und L a vendel mischte. Silbergeschirr schimmerte im tief stehenden Licht auf, Kanarienwein glänzte in großen Pokalen und wärmte selbst die kalten Bradford- Gesichter. Selbstverständlich dachte keiner je daran, mir zu sagen, welchen Gästen ich aufwarten würde. Umso angenehmer überraschte es mich, bei diesem abendlichen Diner die freundlichen Gesichter der Mompellions unter dem Dutzend Gäste zu entd e cken.
    Die Gegenwart von Elinor Mompellion an seiner Tafel ergötzte den stolzen Herrn Oberst. Erstens sah sie an diesem Nachmittag in einem schlicht geschni t tenen, cremefarbenen Seidenkleid einfach beza u bernd aus. In ihren blassen Haaren schimmerten e i nige wenige erlesene Perlen. Aber noch mehr als ihre zerbrechliche Schönheit schätzte Oberst Bradford ihre bedeutenden Beziehungen. Sie gehörte einer der ältesten Großgrundbesitzerfamilien in der Grafschaft an. Man murmelte, mit ihrer Entscheidung für Mo m pellion habe sie einen anderen Verehrer verschmäht, der sie möglicherweise zur Herzogin gemacht hätte. Eine derartige Entscheidung war für den Oberst u n vorstellbar. Leider gab es an ihr so vi e les, was er nicht verstand. Er begriff lediglich, dass eine Bezi e hung zu ihr seine eigene Stellung steigerte. Und das war das einzig Wichtige für ihn. Als ich mit gesen k tem Kopf ihren Suppenteller abtragen wollte, legte Elinor Mompellion, die zur Linken des Obersts saß, dem rechts von ihr sitzenden Herrn aus London leicht die Hand auf den Unterarm, um seinen nichts sagenden Wortschwall zu unterbrechen. Dann drehte sie sich mit einem ernsten Lächeln zu mir. »Hoffen t lich fühlst du dich nach deiner schrecklichen

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