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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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und bedeckte sie damit.
    Einer – vermutlich Martin Highfield – war immer noch betrunken oder verrückt genug, dass er die Tat zu rechtfertigen versuchte.
    »Sie … sie hat’s gestanden«, nuschelte er matt. »Sie hat bekannt, dass sie mit dem Teufel geschlafen hat …«
    Mompellions Stimme steigerte sich zu einem Brü l len. »O ja, heute Abend ist der Teufel hier gewesen! Aber nicht in Anys Gowdie! Narren! Unwissende Toren! Anys Gowdie hat euch mit der einzigen Wa f fe bekämpft, die sie zur Hand hatte – mit euren eig e nen hässlichen Gedanken und üblen Zweifeln anei n ander! Fallt auf die Knie, sofort!«
    Sie sackten wie ein Mann zu Boden. »Betet zu Gott, dass Er in seiner U n endlichen Gnade eure e r bärmlichen Seelen rettet.« Dann holte er Luft und seufzte. Als er weitersprach, war der Zorn aus seiner Stimme verschwunden, und doch war jedes Wort deutlich zu hören, sogar über das Jammern des Wi n des hinweg. »Gibt es in diesem Dorf nicht schon g e nug Leid? Gibt es hier nicht genug Tod für euch alle? Müsst ihr auch noch die Sünde des Mordes unter uns bringen? Betet, dass Gott von euch nicht den Preis einfordert, den die Tat dieses Tages verdient.«
    Wie aus einem Munde fielen die Stimmen ein: E i nige murmelten undeutlich, andere riefen lauthals den Herrn an, wieder andere schlugen sich weinend die Brust. Damals glaubten wir noch alle, dass Gott solchen Gebeten lauscht.

 
    Gift im Blut
     
    D er Schnee, den der Wind in jener Nacht herei n trieb, deckte das Dorf zu. Tiefe Stille senkte sich he r ab. Wie Verbannte gingen die Menschen gebückt und in ihre Tücher gehüllt auf den weißen Straßen ihren G e schäften nach. Schlechte Nachrichten ve r breiteten sich im Flüsterton. Das Hexenblut richtete bei Grace Hamilton nichts aus; noch in derselben Woche starb sie an der Pest und hinterließ ihre Ki n der, Jude und Faith, auf dem Krankenlager. Der Sturm begrub meine verlorenen Schafe und verringerte meine He r de um ein Drittel. Wegen des Schlags auf dem Kopf verschwamm mir alles vor den Augen. Ich schlief fast einen ganzen Tag und eine Nacht, ehe ich mich wieder sicher genug fühlte, meine Suche nach ihnen fortzusetzen. Als ich die armen Tiere endlich fand – sie drängten sich im Windschatten einer Felsnase aneinander –, hatte sich über ihnen eine hohe weiße Schneewächte aufgetürmt, und sie waren fast erfr o ren. Im ersten Moment war ich froh, dass nun wen i ger Leben von meiner Fürsorge abhing. So verwirrt war ich damals. Mister Mompellion zelebrierte den Beerdigungsgottesdienst für Anys so aufwändig wie möglich. Mem Gowdie war nicht dabei, um mit e i genen Augen die Ehre zu erleben, die er damit ihrer Nichte zollte. Der beinahe tödliche Sturz ins Wasser hatte zu einer Lungenen t zündung geführt. Nun lag sie bewusstlos im Pfarrhaus. Elinor Mompellion ha t te darauf bestanden, dass man sie dorthin brachte. Unsere gemeinsame Pflege bestand schon bald nur noch darin, neben i h rem Bett zu sitzen und ihrem rasselnden Atem zu lauschen. Als sie noch zum Sprechen fähig gewesen war, hatte sie um eine Kampfersalbe für ihr verletztes Gesicht gebeten, die wir mit Hilfe von sauberen Le i nenbinden auftrugen. Leider blieb der Verband kaum haften. Auf ihrer Haut, die so brüchig war wie ein trockenes Blatt im Winter, erschienen an den Stellen, wo man sie g e schlagen hatte, blaurote und gelbe Fl e cken. Bei der Geburt meiner beiden Buben hatten Mems erfahrene Hände meine Ängste gelindert und mir die Wehen erleichtert. Jetzt wirkten ihre Finger so zerbrechlich wie die Knöchelchen e i nes Vogels, und wenn ich sie in meinen Händen hielt, befürchtete ich, sie würden unter dem leisesten Druck zerbr e chen.
    Ihr letzter Tag war für mich am schwersten. Gegen Ende setzte ihr Atem minutenlang aus, sodass ich schon glaubte, sie hätte endlich ihren Frieden gefu n den. Aber dann drang ein nasses Gurgeln aus ihrer Kehle. Mühsam rang sie nach Luft, und mehrmals hob und senkte sich ihre Brust unter einem raschen, flachen Keuchen. Einige Augenblicke später ve r langsamte sich auch das und wurde immer weniger, bis sie erneut zu atmen aufhörte. Dies geschah wei t aus öfter, als ich je für möglich gehalten hätte. Jedes Mal wurden die Abstände, in denen sie nicht atmete, länger. Das Warten wurde unerträglich. Als das Ende schließlich doch kam, erkannte ich es nicht, sondern saß da und wartete darauf, dass das gierende Rasseln erneut einsetzte. Erst als ich die Pfarrhausuhr eine

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