Das Pete Buch 03 - 7 Ohrfeigen
auf. Er besaß eigentlich keine Freunde in Somerset, — jedenfalls nicht, was man unter einem richtigen Freund versteht. Es gab aber genügend Leute in Somerset, die Ursache hatten, sich mit dem Gesetzesvertreter gut zu stellen, und welche daher Watson umschmeichelten. Was sie allerdings in der Mehrzahl nicht hinderte, hinter seinem Rücken schlecht über ihn zu sprechen.
„Wie siehst du überhaupt aus, Dreckspatz", fuhr Watson seinen Neffen an. „Wasche dich gefälligst, bevor du auf die Straße gehst. Wie kann ein Bengel von achtzehn Jahren so dreckig herumlaufen?"
„Du sagst ja immer, wir sollen sparen", verteidigte sich Jimmy beleidigt. „Na, und ich spare an der Seife. Außerdem hab ich ja erst vor vierzehn Tagen gebadet."
„Ein reinlicher Mensch badet mindestens jede Woche einmal", erklärte Watson. „Vorwärts jetzt — und vergiß nicht, dir auch die Füße zu waschen."
„Warum denn?" widersprach Jimmy. „Die sieht man ja nicht!"
„Nein — aber man riecht sie", versetzte Watson ärgerlich. „Jetzt, da ich bald zum Sheriff ernannt werde, geht es nicht, daß du so dreckig herumläufst. Zudem hat Miss Burnfield versprochen, zu meinem Geburtstag zu kommen. Für sie bringst du eine Limonade mit."
„Nur eine?"
„Denkst du vielleicht, ich wäre Millionär? Wir machen zwei Flaschen daraus, indem wir die Limonade mit Wasser verdünnen. Das gleiche tun wir mit dem Schnaps."
Eine halbe Stunde später wurde im Sheriffshaus eine ganze Kiste mit Whisky abgegeben — und da tat es Watson bereits leid, Jimmy nach dem Schnaps ausgeschickt zu haben.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
Ein wohlmeinender Freund."
So stand auf einem Kärtchen geschrieben, das an der Kiste befestigt war. Watson grübelte nach, wer der „wohlmeinende Freund" wohl sein mochte. Er kam zu dem Schluß, daß niemand anderes als Miss Burnfield den Whisky geschickt haben könnte.
Ehe er jedoch den Jungen aushorchen konnte, der die Kiste gebracht hatte, war der Bengel bereits verschwunden. Watson wußte, daß Bill Osborne einer von Petes Freunden war. Er wurde mißtrauisch und untersuchte die Whiskyflaschen. Es waren Originalflaschen, die ordnungsmäßig verschlossen waren und — wie das Etikett besagte — guten, alten Whisky enthielten.
Um ganz sicher zu gehen, öffnete Watson eine Flasche. Er goß sich ein großes Glas voll und kostete vorsichtig — ja, es war guter Whisky. Watson trank das Glas leer. Er empfand nur einen merkwürdigen Nachgeschmack, meinte aber, das käme von dem Wasser, womit er das scharfe Getränk verdünnt hatte.
Bald darauf versammelten sich die geladenen Gäste, und Watson musterte kritisch die verschiedenen Geschenke, die man ihm überreichte. Er war nicht ganz zufrieden und machte, wie es so seine Art war, boshafte Bemerkungen. Schließlich rauschte auch Miss Burnfield herein — eine üppige Blondine im knallgrünen Seidenkleid, bewaffnet mit einem Blumenstrauß und mit einem strahlenden Lächeln.
Es gab Leute in Somerset, welche Miss Burnfield für eine Schönheit hielten. Sie trug Gold an den Fingern und an den Zähnen, verströmte Liebenswürdigkeit und Veilchenduft, aber wenn sie lachte, hörte es sich an, als wenn falsche Silberdollars in einer Blechbüchse geschüttelt würden.
„Ouh, Mister Watson", rief Miss Burnfield und reichte ihm beide Hände. Watson wurde ganz warm an der Stelle, wo normale Menschen das Herz tragen und wo er, wie das Gerücht besagte, einen versteinerten Hühnerknochen trug. „Ouh, Mister Watson — wie gut Sie heute aussehen. Herzlichen Glückwunsch!"
Watson betrachtete hingerissen die funkelnden Goldzähne der jungen Dame. Dann wurde sein Blick starr. Miss Burnfield hatte die Papierumhüllung von dem Blumenstrauß entfernt, aber da kamen keine Blumen zum Vorschein. Die Sekretärin des Gouverneurs hielt einen Strauß abscheulichen Unkrautes in der bebenden Hand.
„Ouh, shocking!" rief die junge Dame entrüstet. „Es muß jemand die Blumen mit diesem abscheulichen Zeug vertauscht haben . . ."
Auch Watson fand es „shocking", machte aber gute Miene zum bösen Unkraut. Man setzte sich und begann zu plaudern. Man trank und lachte pflichtschuldigst,
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wenn Watson einen verkrampften Witz machte. Aber es wollte keine richtige Stimmung aufkommen.
Es war draußen bereits dunkel geworden, als sich Watson entschloß, um seine Gäste in
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