Das Phantom im Opernhaus
Wendung der Eifersuchtsstreit nahm. Aufmerksam verfolgte er das weitere Gespräch:
»Wovor sollte ich mich schützen?«, fragte Frau Haas und klang verunsichert.
»Es ist ganz einfach«, triumphierte ihr Mann. »Indem du mir ein Alibi gabst, hast du dir selbst indirekt auch eines verschafft.«
»Was meinst du?«
»Tu nicht so begriffsstutzig! Deiner Aussage nach bin ich zur fraglichen Stunde daheim beim Essen gewesen. Gemeinsam mit dir. Also ist die Polizei selbstredend davon ausgegangen, dass du dich zur Tatzeit ebenfalls hier im Haus aufgehalten hast.«
»Ja, natürlich. Das habe ich auch!«
»Bist du dir da sicher?«
Frau Haas stemmte ihre Arme in die Hüften. »Ja, und das weißt du genau!«
Ihr Mann schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das weiß ich eben nicht genau. Womöglich warst du ja gar nicht hier, sondern bei deinem Liebhaber.«
»Stell nicht alles auf den Kopf! Du bist es, der ständig fremdgeht. Nicht ich!«, kreischte sie.
Haas blieb gelassen. »Komm dir ja nicht zu schlau vor, das bist du nämlich nicht. Denkst du, dass ich nichts mitbekommen habe von deinen heimlichen kleinen Treffen mit Klinger? Glaubst du das wirklich, du dumme Gans?«
Paul glaubte nicht richtig gehört zu haben: Frau Haas und Klinger? Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Die Auseinandersetzung in der Küche spitzte sich derweil weiter zu:
»Du bist ein elender …« Lisbeth Haas schäumte vor Wut.
»Nur raus damit! Was bin ich?«
»Du bist ein Schuft! Ein Schwein!«
»Du bist keinen Deut besser als ich! Gibst die heilige Hure, ja? Gefällt dir die Rolle?«
Seine Frau begann zu schluchzen. »Es war überhaupt nichts mit Klinger. Der war doch gar nicht mein Typ! Wir haben uns ab und zu getroffen, ja, das stimmt. Er war charmant.«
»Na also! Da haben wir’s!«
»Nein, das ist nicht wahr! Die Sache ist rein platonisch gewesen. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, etwas mit dem Dickwanst anzufangen.«
»Ach nein?«, fragte Haas gereizt. »Auch nicht, um mir eins auszuwischen? Immerhin hast du ja genau gewusst, dass er mein Intimfeind war.«
»Deswegen habe ich dir nichts über unsere Treffen erzählt. Ich wollte dich nicht verletzen.«
»Hast du aber!« Blitzschnell sprang Haas vor und bekam seine Frau an den Haaren zu fassen. Mit einem heftigen Ruck zog er ihren Kopf nach unten, sodass sie mit der Stirn auf die Tischkante schlug.
Paul war auf seinem Beobachtungsposten wie erstarrt. Was, um Himmels willen, lief da ab?
Lisbeth Haas schrie auf. Doch ihr Mann kannte keine Gnade. Seine Hand noch immer in ihren Haaren versenkt, riss er ihren Oberkörper wieder nach oben. Dann drückte er die schmale Frau an die Kühlschrankfront. »Hör mir genau zu!«, schärfte er ihr ein. »Ich will, dass du auch meine Sicht der Dinge kennst: Ich bin davon überzeugt, dass du dich mit Klinger eingelassen hast, um es mir heimzuzahlen.«
»Nein, nein!«, wimmerte Frau Haas.
Ihr Mann ließ nicht locker. »Ich denke, dass Klinger gern auf deine Avancen eingegangen ist. Aber nicht, weil er dich so anziehend fand. Sondern weil er dich und damit mich unter Druck setzen wollte.«
»Das ist blanker Unsinn! Lass mich los!« Frau Haas versuchte, sich aus dem Griff ihres Mannes zu befreien. Vergeblich.
Paul überlegte hin und her, ob er eingreifen und die Frau aus ihrer Zwangslage erlösen sollte. Doch jetzt musste er auch den Rest hören. Er musste!
»Es ist durchaus kein Unsinn!«, stellte Haas klar. »Klinger hat versucht, dich zu erpressen. Das traue ich ihm ohne Weiteres zu. Du aber warst auf seine Gewissenlosigkeit nicht gefasst. Erst hast du es mit der Angst zu tun bekommen. Hast befürchtet, dass alles auffliegt, ich dich verlasse und du am Ende leer ausgehst. Dass du alles verlierst: den Ehemann, das Haus, die Kinder …«
»Hör auf damit!«, flehte Frau Haas.
»Aber dann hast du zu deiner eigentlichen Stärke zurückgefunden.« Haas lachte zynisch. »Wer Teller werfen kann, kann auch schwerere Dinge bewegen. Du hast ihn erschlagen. Hast ihn in einen Hinterhalt gelockt und ihm eins über den Schädel gezogen. War es so?« Er zog noch heftiger an ihrem Haar. »War es so? Antworte!«
Paul konnte es nicht länger ertragen. Er gab seinen sicheren Lauschposten auf und stürmte in die Küche. Augenblicklich ließ Haas von seiner Frau ab. Beide sahen Paul mit einer Mischung aus Überraschung und Feindseligkeit an.
»Wer sind Sie?« Frau Haas hatte sich aufgerichtet und fand nach Pauls plötzlichem Auftauchen als Erste
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