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Das Phantom im Opernhaus

Das Phantom im Opernhaus

Titel: Das Phantom im Opernhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Wehmut in der Stimme resümierte Ascherl: »Das waren Glanzstunden unseres Hauses, die sich bis ins neue Jahrtausend fortsetzten.«
    »Doch nun bangen Sie ums Renommee?«, wollte Paul wissen.
    Ascherl nickte bekümmert und hing eine Weile seinen Gedanken nach. Dann sah er Paul direkt in die Augen und sagte eindringlich: »Manche mögen mich für einen Fanatiker halten. Zugegeben: Eine Prise Fanatismus gehört dazu, um einen anspruchsvollen Kulturbetrieb in einer Welt der multimedialen Verdummung und kurzlebigen Trends aufrechtzuerhalten. Insofern hat mich der Tod des Herrn Klinger nur bedingt erschüttert. Ich will ganz offen sein: Klingers Ambitionen waren mir ein Gräuel. Hätte er seine Karrierepläne durchgesetzt und wäre zum Geschäftsführenden Direktor avanciert, hätte der Kommerz über die Kunst obsiegt. Es wäre bald zu Ende gegangen mit meinem geliebten Haus, seinen Wonnen und Sorgen, der hohen Kultur, die es zwischen Souffleurkasten und Schnürboden spiegelt, mit Kulissenmärchen und Lichtmagie, seinen komödiantischen und geistigen Abenteuern, mit denen es jung geblieben ist und jung bleiben soll.«
    Paul ließ diese Worte auf sich wirken, während seine Blicke die rot schimmernde Sandsteinfassade des Opernhauses entlang glitten. »Das haben Sie schön gesagt.« Er wandte sich Ascherl zu und gab ihm schweren Herzens zu verstehen: »Doch ich fürchte, ich bin der falsche Gesprächspartner für Sie und Ihre Sorgen.«
    In Ascherls Gesicht vollzog sich ein blitzschneller Wandel von Wohlwollen hin zu berechnender Arroganz. »Vergessen Sie nicht, für wen Sie arbeiten, junger Mann. Es ist auch in Ihrem Interesse, dass die Oper nichts von ihrem Glanz einbüßt. Dafür können wir schon heute Abend etwas tun: Wir müssen den Ball würdevoll, mit dem nötigen Glamour und hohem Anspruch an die dargebotene Kunst über die Bühne bringen.«
    Paul verstand den abermaligen Wink so, dass er seine Kontakte zu Katinka spielen lassen sollte. Er lächelte schief. »Ich werde tun, was ich kann. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel von meinen Möglichkeiten. Ich bin ein kleines Licht.«
    Ascherl taxierte ihn. »Das sind Sie nicht. Und das wissen Sie genau.«
     
    Nach diesem Gespräch sparte sich Paul seine Stippvisite in der Oper. Er wollte die Zeit bis zum Ball lieber in seinem Atelier verbringen und irgendetwas Sinnvolles tun – etwas, das ihn auf andere Gedanken brachte. Für ihn persönlich würde es vorläufig das Beste sein, sich aus allem herauszuhalten. Am Ende säße er – wie so oft – doch nur zwischen allen Stühlen.
    Dennoch konnte er es nicht lassen: Auf dem Weg zurück zum Weinmarkt zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte Katinkas Nummer. Sie nahm ab, schneller als gedacht.
    »Kati, ich bin’s. Ich mache mir Sorgen wegen heute Abend. Die Sache spricht sich rum wie ein Lauffeuer.«
    Katinka klang gefasst, als sie antwortete: »Wenn sich jemand Sorgen machen müsste, wäre ich es. Denn ich habe eine richterliche Verfügung besorgt: Die Polizei durchsucht gerade Irenas Wohnung und ihre Garderobe an der Oper. Jedes Nagellackfläschchen, das den Kollegen in die Finger kommt, wird konfisziert.«
    »Du brauchst einen Beweis, um Irena nach dem Ball verhaften zu lassen«, folgerte Paul und dachte an Ascherls Anspielung auf das Bauernopfer.
    »Ich brauche Klarheit«, verbesserte ihn Katinka. »Wenn es Übereinstimmung bei den Proben gibt, reicht mir das für eine Festnahme. Wenn nicht, bleibt Irena unbehelligt – vorerst.«
    »Warum versteifst du dich schon wieder auf diese eine Verdächtige?«, hielt ihr Paul abermals vor und bereute es im selben Moment.
    »Weil ich vom Fach bin und weiß, was ich tue«, sagte Katinka unterkühlt. »Rede ich dir etwa dauernd rein, wenn du deine Fotos machst?«
    »Nein«, sagte Paul kleinlaut. »Entschuldige.«
    »Schon gut. Ich bin heute früh etwas gereizt. Es läuft so viel schief. Ich brauchte dringend noch eine Aussage von der Maskenbildnerin, um die Vorwürfe gegen Irena zu erhärten. Aber Paula Dorfner ist nicht aufzutreiben. Sie geht nicht ans Telefon. Am Theater ist sie auch noch nicht aufgetaucht. Wenn wir sie nicht bald erwischen, wird das zeitlich alles verflixt eng.«
    »Paula Dorfner?« Dass Katinka sich mit der Maskenbildnerin eingehender beschäftigen wollte, war nach Pauls Dafürhalten längst überfällig. Dass sie nicht zu erreichen war, fand er allerdings besorgniserregend. »Wann ist sie denn heute zum Dienst eingeteilt? Vielleicht verschiebt

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