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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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habe. Selbst wenn er hereingekommen wäre, sind seit damals zwölf Jahre vergangen. Er könnte sich überall in diesem Land aufhalten, das sich von Osten nach Westen über fünftausend Kilometer weit erstreckt.
    Also wandte ich mich an die hiesige Stadtverwaltung, die mir jedoch erklärte, in New York gäbe es fünf Stadtbezirke und praktisch keine Meldeunterlagen. Der Mann könne ebensogut in Brooklyn, Queens, Bronx oder Staten Island leben. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als hier auf Manhattan Island weiter nach diesem Justizflüchtling zu fahnden. Welche Aufgabe für einen anständigen Franzosen!
    Im Rathaus habe ich Unterlagen eingesehen, in denen ein Dutzend Mühlheims aufgeführt sind, und ich bin bei allen gewesen. Wäre sein Name Smith, würde ich jetzt wieder heimreisen. Hier gibt es sogar viele Telefone und ein Verzeichnis ihrer Besitzer, aber keiner von ihnen heißt Erik Mühlheim. Ich habe auch bei der Steuerbehörde nachgefragt, aber die bezeichnete ihre Unterlagen als vertraulich und wollte nicht damit herausrücken.
    Die Polizei war entgegenkommender. Ich habe einen irischen Sergeanten gefunden, der mir erklärt hat, gegen eine Gebühr seien Nachforschungen möglich. Ich weiß verdammt genau, daß er diese »Gebühr« selbst eingesteckt hat. Aber er ist losgezogen und mit der Auskunft zurückgekommen, kein Mühlheim habe jemals Schwierigkeiten mit der Polizei
gehabt, aber wenn mir damit geholfen wäre, könne er mir ein halbes Dutzend Müllers nennen. Dummkopf.
    Draußen auf Long Island gibt’s einen Zirkus, den ich besucht habe. Wieder eine Pleite. Ich bin auch in dem großen Krankenhaus gewesen, das Bellevue heißt, aber es besitzt keine Unterlagen darüber, daß ein so entstellter junger Mann jemals dort behandelt worden wäre. Ich habe keine Ahnung, wohin ich mich noch wenden könnte.
    Ich logiere in einem bescheidenen Hotel in einer der kleinen Straßen hinter diesem großen Boulevard. Ich esse ihre schrecklichen Schmorgerichte und trinke ihr scheußliches Bier. Ich schlafe in einem schmalen Bett und wünsche mir, ich wäre wieder in meiner Wohnung auf der Île-St-Louis - warm und behaglich und an den hübschen dicken Hintern von Madame Dufour geschmiegt. Es wird kälter und das Geld allmählich knapp. Ich möchte in mein geliebtes Paris zurück, in eine zivilisierte Stadt, in der die Leute gehen, statt überallhin zu rennen, in der die Kutscher in gemächlichem Tempo traben, statt wie Verrückte zu rasen, und die Straßenbahnen keine Gefahr für Leib und Leben darstellen.
    Noch schlimmer wird alles dadurch, daß ich geglaubt habe, einige Worte in der perfiden Sprache Shakespeares sprechen zu können, denn ich habe die englischen Mylords, die zu uns herüberkommen, um ihre Pferde in Auteuil und Chantilly Rennen laufen zu lassen, gesehen und gehört. Aber hier sprechen die Leute durch die Nase und sehr, sehr schnell.

    Gestern habe ich in dieser Straße einen italienischen Coffee Shop entdeckt, in dem guter Mokka und sogar Chianti serviert werden. Natürlich ist es kein Bordeaux, aber besser als dieses harntreibende Yankee-Bier. Ah, jetzt sehe ich ihn schon auf der anderen Seite dieser nur unter Lebensgefahr zu überquerenden Straße. Ich werde einen guten starken Kaffee trinken, um meine Nerven zu beruhigen, und dann zurückkommen und meine Passage nach Frankreich buchen.

4
    GLÜCK FÜR CHOLLY BLOOM
    Louie’s Bar, Fifth Avenue und 28 th Street,
New York City, Oktober 1906
     
     
     
     
     
    G laubt mir, Jungs, es gibt Zeiten, da hat man als Reporter in der schnellebigsten, betriebsamsten Stadt der Welt den großartigsten Job der Welt. Okay, wir wissen alle, daß man sich manchmal stunden- oder tagelang die Hacken abläuft und zuletzt mit leeren Händen dasteht: Hinweise, die wertlos sind, Interviews, die man nicht bekommt, keine Story. Hab’ ich recht? Barney, bringst du uns noch’ne Runde Bier?
    Jup, es gibt Zeiten, in denen nichts passiert: kein Skandal in der Stadtverwaltung (natürlich nicht allzuoft), keine Prominentenscheidung, keine Leichenfunde bei Tagesanbruch im Central Park. Das Leben verliert seinen Glanz. Dann denkt man sich: Was tue ich hier eigentlich, wofür vergeude ich meine Zeit, vielleicht hätte ich lieber Dads Geschäft für Herrenmoden übernehmen sollen. Dieses Gefühl kennen wir alle.
    Aber genau das ist der Punkt. Es macht das Leben
besser, als in Poughkeepsie Herrenhosen zu verkaufen. Plötzlich taucht etwas auf, und wenn man clever ist, hat man eine

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