Das Phantom von Manhattan - Roman
das lehnte ich ab. Statt dessen verlangte ich für zehn Jahre zehn Prozent Beteiligung am Gewinn dieser sechs Fahrgeschäfte. Boyton, der seinen letzten Cent in den Vergnügungspark gesteckt hatte, war hoch verschuldet. Innerhalb eines Monats brachten uns diese von Darius überwachten Fahrgeschäfte allein hundert Dollar pro Woche ein. Aber das war erst der Anfang.
Der Nachfolger des Politbosses McKane war ein rothaariger Hitzkopf namens George Tilyou. Auch er wollte einen Vergnügungspark eröffnen und dann abkassieren. Ohne mich um Boytons Wut zu kümmern, konstruierte ich für Tilyous Unternehmen noch einfallsreichere Fahranlagen zu den gleichen Bedingungen: prozentuale Gewinnbeteiligung. Der Steeplechase Park wurde 1897 eröffnet und brachte uns tausend Dollar pro Tag ein. Unterdessen hatte ich einen hübschen Bungalow, der näher an Manhattan Beach lag, gekauft und bezogen. Die wenigen Nachbarn waren meistens nur an den Wochenenden da, wenn ich mich in meinem Clownskostüm ungehindert in den Touristenströmen zwischen den beiden Vergnügungsparks bewegte.
Auf Coney Island fanden häufig Boxkämpfe statt, bei denen ein Millionärspublikum, das mit der neuen Hochbahn von der Brooklyn Bridge zum Manhattan Beach Hotel herüberkam, sehr hoch wettete. Ich sah mir die Kämpfe an, wettete aber nicht, da meiner
Überzeugung nach die meisten vorab »arrangiert« waren. In Brooklyn und New York, sogar im gesamten Staat New York, waren Wetten verboten. Aber auf Coney Island, dem letzten Vorposten der Crime Frontier, wechselten riesige Summen den Besitzer. 1899 forderte Jim Jeffries Bob Fitzsimmons zum Kampf um den Weltmeistertitel im Schwergewicht heraus - auf Coney Island. Unser gemeinsames Vermögen betrug inzwischen zweihundertfünfzigtausend Dollar, und ich wollte es nicht auf den hohen Favoriten Fitzsimmons, sondern ganz auf den Herausforderer Jeffries setzen. Darius war außer sich vor Wut, bis ich ihm meinen Plan erklärte.
Mir war aufgefallen, daß die Boxer in den Pausen zwischen den Runden häufig aus einer Flasche einen großen Schluck frisches Wasser tranken, den sie manchmal, aber nicht immer, ausspuckten. Auf meine Anweisung hin tauschte Darius, der sich als Sportreporter ausgab, einfach Fitzsimmons’ Flasche gegen eine andere aus, deren Inhalt mit einem Schlafmittel versetzt war. Jeffries schlug ihn k. o. Ich kassierte eine Million Dollar. Später im selben Jahr verteidigte Jeffries seinen Titel im Coney Island Athletic Club gegen Sailor Tom Sharkey. Gleicher Trick, gleiches Ergebnis. Armer Sharkey. Dieser Kampf brachte uns zwei Millionen ein. Es wurde Zeit, daß wir uns inselaufwärts bewegten und uns höhere Ziele setzten, denn ich hatte die Mechanismen eines noch gesetzloseren Rummelplatzes studiert, auf dem sich das große Geld verdienen ließ: die New Yorker Börse. Aber auf Coney Island wartete noch ein letzter Coup auf uns.
Zwei Glücksritter namens Frederic Thompson und Skip Dundy waren verzweifelt bemüht, einen dritten und noch größeren Vergnügungspark zu eröffnen. Der eine war ein trunksüchtiger Ingenieur, der andere ein stotternder Finanzmann, und die beiden brauchten so dringend Geld, daß sie bei den Banken bis über den Hals in Schulden steckten. Ich ließ Darius als Scheinfirma eine Kreditgesellschaft gründen, die mit dem Angebot an sie herantrat, ihnen ein ungesichertes zinsloses Darlehen zu gewähren. Dafür verlangte die E. M. Cooperation zehn Jahre lang zehn Prozent der Bruttoeinnahmen des Luna Parks. Die beiden waren einverstanden. Ihnen blieb keine andere Wahl. Am zweiten Mai 1903 öffnete der Luna Park seine Tore. Um neun Uhr morgens waren Thompson und Dundy noch pleite, bei Sonnenuntergang hatten sie alle ihre Schulden abbezahlt - bis auf die bei mir. In den ersten vier Monaten brachte der Luna Park fünf Millionen Dollar. Die Monatseinnahmen pendelten sich bei einer Million ein, bis heute. Darius und ich waren unterdessen nach Manhattan umgezogen.
Ich begann mit einem bescheidenen Sandsteinhaus, das ich nur selten verließ, weil das Clownskostüm hier fehl am Platz war. Darius wurde an meiner Stelle Börsenmitglied und befolgte meine Anweisungen, während ich über Geschäftsberichten und Ankündigungen neuer Aktienemissionen brütete. Für neue Ideen und Projekte, falls sie geschickt angepriesen wurden, fanden sich sofort Geldgeber. Die Wirtschaft wuchs in atemberaubendem Tempo und weitete ihre Grenzen immer mehr nach
Westen aus. Die Entstehung eines jeden neuen
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