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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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ist.
    Auch das Ansehen Justitias stieg mit ihrer Blindheit.
    Wenn Sie davon ausgehen, dass es objektive Wahrheiten, dass es Verstehen gibt, reicht der Monolog aus, das Informieren, die kommunikative Einwegflasche. Streng genommen brauchen Sie den anderen nicht, denn Ihnen steht je nach Fähigkeit »die ganze Wahrheit« zur Verfügung. Der Beitrag des anderen ist jedenfalls nicht viel wert. Die Hauptquelle für das kommunikative Chaos in vielen Unternehmensbereichen: »Ich sage hier die Wahrheit, und Sie haben Ihre Meinung.« Einer glaubt, ihm liege die Wahrheit klar vor Augen. Dabei erfindet er sie gerade. Auch bei Problemen herrscht das unausgesprochene Muster: Einer hat die richtige Lösung. Frage: Wer? »Meine Lösung ist die richtige, aber die anderen kapieren das noch nicht.« Eine solche Einstellung unterstellt
Einzigrichtigkeit
, die man irgendwo »da draußen« finden könne. Aber »da draußen« gibt es nichts.
    Wie kann nun Kommunikation gelingen? Nicht durch irgendwelche Techniken. Nur durch Respekt vor der Individualität des anderen. Die Tatsache des Nicht-Verstehens erzwingt förmlich den Dialog. Wenn beide das wissen, kann es gut gehen. Es ist wie bei Aufführungen desselben Balletts, derselben Symphonie oder desselben Streichquartetts: Erst wenn Sie verschiedene Sichtweisen, verschiedene Interpretationen einbeziehen und miteinander vergleichen, betreten Sie das Reich der Erkenntnis.
    |127| Der Monolog verkleinert Ihre Welt. Der Dialog vergrößert sie. Das alles verweist auf eine grundsätzlich dialogische Unternehmensführung. Und das ist kein sozialromantischer Gestaltungswunsch, der auf einer moralisch unterfütterten Humanisierung der Arbeitswelt baut, sondern es ist einfach sachlich geboten. Die Wiedereinführung der Verantwortung in die Unternehmen erzwingt eine radikale Umstellung von hierarchischen
Vorgaben
auf dialogische Verständigung über
Aufgaben
. Im Alltag bedeutet das: Das oft konflikthafte Austragen unterschiedlicher Perspektiven tritt an die Stelle autoritativer Setzung. Konflikthaft? Statt der »Diskussion«, in der immer Gewinner und Verlierer produziert werden und in der jeweils sich ausschließende Wahrheitsansprüche konkurrieren, brauchen wir den »Dialog«: gemeinsam denken, gemeinsam neue Perspektiven finden. Jeder hat Recht – das meint nicht Indifferenz und Interesselosigkeit. Gerade im Gegenteil: So starkes Interesse am anderen, dass ich ihn nicht unter meine Werturteile zwinge. Dies aber nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es einfach praktisch ist. Anstatt »Wie kommen Sie denn da drauf?« eher ein »Interessant, aus diesem Blickwinkel habe ich es noch nicht betrachtet!«.
    Information – Kommunikation
    Die Rede von der »Information« geht davon aus, Sie könnten in Ihrem Kopf eine Idee kreieren, in Worte formen, über Schallwellen zu Ihrem Gesprächspartner transportieren, dieser hört die Worte, dekodiert sie und lagert sie dann 1:1 in seinem Gehirn ab. Das alte Sender-Empfänger-Modell der Kommunikationspsychologie war noch nach diesem Verständnis aufgebaut. Man hat sich zwar immer gewundert, wieso das nicht so recht klappte, aber sich weithin mit der Erklärung begnügt, der andere habe wohl nicht richtig zugehört oder man selbst habe nicht die richtigen Worte gefunden. Irrtum! Der Empfänger der Botschaft gestaltet die Botschaft völlig neu. Er unterlegt den wahrgenommenen Worten seine eigene Verstehensfolie und »erfindet« damit eine eigenständige |128| Botschaft. Er fügt Bedeutung hinzu, er deutet die Worte. Klar gesehen heißt das:
    Es gibt keine Information.
    Nicht die Sprachkonvention will ich hier verflüssigen, sondern das dahinterstehende Weltverständnis. Tatsächlich werden keine Informationen oder Botschaften wie von einem Container in den anderen Container »übertragen«. Sie stellen nur Anregungen dar, in denen aber keineswegs verpflichtend festgelegt ist, wie der jeweils andere sie erlebt und reagiert. Ein Wort ist ein Zylinder, in den der eine ein Kaninchen hineintut und aus dem der andere eine Taube herausholt.
    Es gibt daher nur
Kommunikation.
Jeder Empfänger ist gleichzeitig Sender. Jeder Empfänger ein Schöpfer. Innen definiert Außen. Jeder Leser liest hier und jetzt ein anderes Buch. Ein Buch, in dem keine Informationen enthalten sind, nur Impulse für die eigene Kreativität … auch in einer Weise, die mir nicht immer angenehm ist. Es war für mich faszinierend zu sehen, wie viel Unterschiedliches unterschiedliche Menschen

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