Das Prinzip Uli Hoeneß
zum Beispiel seine Attacke auf die nach dem WM-»Sommermärchen« wie Popstars gefeierten Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski. »Immer soll die Sonne scheinen. Aber in Zukunft regnet es auch mal, wenn die Leistung nicht stimmt«, kündigte Hoeneß an. »Dem Schweini haben zu viele Leute Puderzucker in den Hintern geblasen. Den klopfe ich ihm nun wieder raus.« Dem Pädagogen Hoeneß missfielen aber nicht nur die kritikwürdigen Leistungen auf dem Spielfeld, sondern in erster Linie das seiner Meinung nach unangemessene öffentliche Auftreten des Nachwuchsstars. »Bei uns käme es nicht vor, dass ein Spieler vier Stunden beim Friseur sitzt und sich einen roten Hahn draufsetzt«, hatte Uli Hoeneß einst gegen den Brasilianer Marcelinho von Hertha BSC gestichelt, und nun musste er mit ansehen, wie der 22-jährige Schweini mit schwarz lackierten Fingernägeln und silbergrau gefärbtem Haarschopf herumlief.
Bei Lukas Podolski dagegen lag der Fall anders. Der befleißigte sich keines unangemessenen Lebenswandels und zeigte sich überhaupt als lieber und netter Kerl. Nur der mangelnde Ehrgeiz, der nervte Uli Hoeneß extrem. »Wenn er seine Einstellung nicht gravierend ändert«, polterte er nach Monaten anhaltender Leistungsdefizite, »dann wird er es nicht schaffen. Die Früchte fallen ihm nicht vom Baum in den Mund, die muss man sich hart erarbeiten, auch mit Ellbogen.«
Seine Attacken auf die beiden jungen Nationalspieler stellte er erst ein, als ihn die Befürchtung quälte, seine scharfe Kritik könne kontraproduktiv werden. So entschied er nach einem einigermaßen zufriedenstellenden Auftritt der beiden, dass sie »genug auf die Hörner bekommen« hätten, und mühte sich fortan, leidlich gelungene Teilleistungen als besonders »bemerkenswert« herauszustellen. Während die neue Taktik bei Schweinsteiger fruchtete, der in der Folge den Sprung zum Stammspieler schaffte, blieb Podolski ein unlösbarer Problemfall. Das von Heimweh geplagte Sorgenkind pochte im Herbst 2008 aus Frust über sein Dasein als Bankdrücker auf die Rückkehr zu seinem Mutterverein 1. FC Köln. Hoeneß forderte daraufhin ein letztes Mal, dass der Jungstar sich endlich »auf seinen Job hier konzentrieren« solle und damit aufhören müsse, »in der Ecke zu jammern und schlecht gelaunt zu sein. Es gibt schwierigere Schicksale auf der Welt, als beim FC Bayern zu spielen.« Für »Poldi« erwies sich jedoch die Aufgabe, die besonderen Ansprüche des FC Bayern anzunehmen und zu bewältigen, als zu schwierig. Zum Ende der Saison 2008/09 erhielt er die Freigabe.
Ein besonderes Markenzeichen des manchmal wie ein Oberlehrer agierenden Managers war der grimmige Zorn auf Journalisten, die junge Talente zu sehr in den Himmel hoben. Uli Hoeneß konnte nie vergessen, dass ihm die Lobhudelei als 22-jährigem Nationalspieler vor der WM 1974 ganz und gar nicht gutgetan hatte. Zu viel Lob, das war ihm seitdem klar, wirkte sich negativ auf die Leistung junger Spieler aus. Und deswegen musste man in dieser Hinsicht auf jugendliche Talente ganz besonders aufpassen. Als der erst siebzehnjährige Toni Kroos am 25. Oktober 2007 im UEFA-Cup-Spiel in Belgrad gegen Roter Stern per Freistoß den Siegtreffer erzielt hatte und ein Reporter nach dem Spiel wissen wollte, was er denn zum »Matchwinner« Kroos sage, rastete er regelrecht aus: »Wie bitte? Wissen sie, wer heute Matchwinner war? Lucio! Der war der beste Mann am Platz. Weltklasse! Eins mit Sternchen hat der heute gespielt, und nicht der Toni Kroos. Lassen Sie den mal schön unten.« Außerdem habe der Miroslav Klose die zwei wichtigen Tore gemacht, und »der andere« – Toni Kroos also – habe lediglich Glück gehabt, dass der Ball im Tor war. Nicht einmal den schüchternen Hinweis darauf, dass Kroos doch immerhin mit seinem Freistoß das Spiel entschieden habe, wollte der erregte Bayern-Manager gelten lassen. »Ja, okay, der Freistoß«, wiegelte er ab, »aber den Freistoß werden wir zwei auch noch schaffen, oder?«
Hoeneß’ geradezu panische Angst, zu früh hochgejazzte jugendliche Talente könnten die Bodenhaftung verlieren und sich nach ein paar ordentlichen Spielen wie Weltstars fühlen, um dann letztendlich an den übertriebenen Erwartungen zu zerbrechen, findet ihren Gegenpol in dem fürsorglichen Bemühen, zarte Seelchen im richtigen Moment – siehe Schweinsteiger und Podolski – auch mal mit gezielten Streicheleinheiten zu stärken. Sehr häufig tat er das vor allem mit dem öfter mal
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