Das Prinzip Uli Hoeneß
zugleich aber steckte er seine eigenen Ambitionen wohl nur mit Widerwillen und einem gewissen Groll zurück. Als Magath nach Wolfsburg wechselte, wurde er dort Trainer und Manager in Personalunion – und führte den Außenseiter prompt zum Meistertitel. In München wäre für ihn eine solche Machtfülle niemals denkbar gewesen. Dort war die Beziehung zwischen Trainer und Manager von einer unterschwelligen Konfliktlage gekennzeichnet. Stets stand der unausgesprochene Vorwurf des ambitionierten Trainers im Raum, nie so zu dürfen, wie er eigentlich könnte, wenn er nicht auf den Manager Rücksicht nehmen müsste. Uli Hoeneß, der zudem Magaths ironische Distanz als mangelnde Identifikation mit dem FC Bayern interpretieren mochte, dürfte die Spannung dieser Konstellation ein gewisses Unwohlsein bereitet haben; er hielt aber, da er ja nie direkt herausgefordert wurde, den Deckel auf dem Topf. Sicher scheint: Die Beziehung der beiden Alphatiere musste, auch wenn es ihnen gelang, am offenen Konflikt vorbei zu balancieren, ein Arrangement mit kurzer Verfallszeit bleiben.
Ein Psychokrieg und ein gescheiterer Neuerer
Der Fall Magath konnte unblutig beendet werden. Es gab aber Fälle, da sah es ganz anders aus. Im Fall Lattek etwa. Wie Magath bewahrte der Erfolg auch Uli Hoeneß’ alten Lehrmeister und väterlichen Freund nicht vor Kritik. Doch während Hoeneß’ Liebesentzug gegenüber Magath erst im Verlauf der Trennung richtig zutage trat, gab es bei Lattek schon vor dem endgültigen Abschied wochenlang Kräche. Nach den drei Titeln seiner ersten Amtszeit (1970-1975) hatte Udo Lattek erneut zwei Meisterschaften geholt, und er war, in der Saison 1986/87, soeben dabei, seinen dritten Titel in Folge unter Dach und Fach zu bringen, da begann das Trainer-Denkmal immer größere Risse zu bekommen. Die Zeitschrift »Sports« schilderte den erfolgreichsten Bundesligatrainer zum Ende seiner zweiten Bayern-Zeit als unberechenbaren Stresstrinker. Wenn er sich habe volllaufen lassen, behauptete die Illustrierte, sei er »enthemmt, unbeherrscht und aggressiv. Dann kriecht er auch mal auf allen Vieren durchs Hotel oder wirft mit Apfelsinen.«
Uli Hoeneß war da schon auf Distanz gegangen zu dem Mann, dem er als Spieler so viel zu verdanken hatte. Er produziere nur nationale Erfolge, kritisierte er, bei den Bayern aber erwarte man vor allem internationale. Als der Fußballlehrer, dessen Vertrag zum Ende der Saison 1986/87 auslief, einen Fünfjahresvertrag forderte, wollte Hoeneß – der im Vorjahr noch getönt hatte, dass Lattek »bestimmt die nächsten fünf Jahre noch« Bayern-Trainer bleibe – nur einen über zwei Jahre abschließen. »Ich möchte nicht der sein, der Lattek irgendwann rauswerfen muss, weil es nicht mehr läuft«, meinte er. Die Vertragspläne wurden schließlich Makulatur, nachdem Lattek sich freiwillig dazu entschieden hatte, als Sportdirektor zum 1. FC Köln zu wechseln. Hoeneß zauberte im Nu mit Jupp Heynckes einen neuen Trainer aus dem Hut und organisierte – als ob er den Konflikt mit dem Scheidenden besonders dick übertünchen wollte – ein opulentes Abschiedsfest, das er sich 250.000 DM kosten ließ.
Das heftige Nachschlagen zwischen den beiden Ex-Freunden machte deutlich, wie tief der Groll auf beiden Seiten saß. Der verabschiedete Erfolgstrainer, kein Freund übermäßiger Selbstkritik, höhnte aus Köln, sein Nachfolger Heynckes werde schon sehen, was er ihm für einen Sauhaufen als Mannschaft überlassen habe. Aus München stichelte Hoeneß, der Ex-Trainer habe in seinen zwei letzten Wochen bei den Bayern »mehr Alkohol verkonsumiert als ein Normalsterblicher in vier Jahren«. Unter Lattek, legte er nach, seien die jungen Spieler stagniert, und dies mache jetzt dem neuen Trainer Heynckes immer noch zu schaffen. Außerdem sei er ein treuloser Zeitgenosse. »Der Udo denkt nur ans Geld. Das Schicksal des Vereins ist ihm egal. Er wird in Köln irgendwann einen Streit produzieren und gehen, weil er woanders mehr verdienen kann.«
Lattek wehrte sich: »Mir kann niemand einen Vorwurf machen. Selbst wenn ich mal ordentlich einen zur Brust genommen habe, stand ich tags darauf meinen Mann.« Und er versuchte, den Spieß herumzudrehen: In Wahrheit sei Hoeneß derjenige, der süchtig sei nach Geld und Macht, und dazu habe er nicht einmal die Courage, für seine Entscheidungen einzustehen. »Wenn Bayern verliert, bin ich schuld, wenn Bayern gewinnt, ist es sein Heynckes. Der Hoeneß ist ein
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