Das Prinzip Uli Hoeneß
Angstbeißer. Der hat Angst, dass es mit dem Heynckes in die Hosen geht, und baut mich als Gegner auf.« Er hingegen, Udo Lattek, sei ein starker Trainer gewesen. »Selbst wenn die Bayern nichts drauf hatten«, habe er so lange auf die Mannschaft eingeredet, »wie stark wir sind, bis wir es geglaubt haben.« Aber Hoeneß habe »ja unbedingt einen schwachen Trainer« gewollt, »damit er das Zepter in der Hand behält«. Und damit verwies Lattek auf die wahren Hintergründe seines unharmonischen Abschieds bei den Bayern. Der Übungsleiter sei am Ende gewesen, so Hans Eiberle in der »SZ«, »weil er die Beförderung zum Sportdirektor anstrebte. Doch Hoeneß mochte die Macht nicht teilen, Lattek musste gehen.« Ein Jahr nach dem heftigen Disput waren die Wellen eingermaßen geglättet, man sprach wieder in anderem Ton übereinander. »Udo Lattek war ein äußerst erfolgreicher Trainer, mit dem ich gerne zusammengearbeitet habe«, formulierte ein versöhnlicher Hoeneß, nachdem er mit dem Trainer Heynckes zwar hinter Bremen nur auf dem zweiten Platz, aber immerhin vor dem 1. FC Köln gelandet war.
Während das Verhältnis zwischen Hoeneß und Lattek trotz zwischenzeitlicher Versöhnung weiterhin von heftigen Verbalkämpfen gekennzeichnet blieb, hatte es im Fall Klinsmann, der 2008 insbesondere auf Betreiben von Karl-Heinz Rummenigge verpflichtet wurde, lange vor dem Engagement des Trainers heftige Auseinandersetzungen gegeben. Schon zwei Jahre zuvor, als Klinsmann im Vorfeld der WM 2006 das Bundestraineramt übernommen hatte, fand Hoeneß kaum ein freundliches Wort über den ehemaligen Bayern-Spieler. Klinsmanns Weigerung, seinen Wohnsitz in Deutschland zu nehmen, hatte er deftig kritisiert, die Zögerlichkeit des Wahl-Kaliforniers, sich in der Frage des WM-Torwarts früh zu entscheiden (Lehmann oder Kahn), hatte er als »Psycho-Terror« angeprangert, und auch über den Charakter des Trainers hatte er sich nicht gerade wohlwollend geäußert. »Jürgen ist von Natur aus ein unglaublich misstrauischer Mensch, der hinter jedem Baum einen Feind sieht«, hatte er damals seine Einschätzung formuliert. »Er hat nicht gelernt, genau zu unterscheiden, wer es wirklich gut mit ihm meint. Er hat lieber Leute um sich, die abhängig sind von ihm. Aber er muss auch das lernen: Die besten Freunde sind die, die einem kritisch gegenüberstehen, die einem ohne Rücksicht auf Verluste die Wahrheit sagen.«
Nun, nach der Verpflichtung des selbstbewussten Schwaben als Bayern-Trainer, beeilte sich Uli Hoeneß, mit Macht zurückzurudern. »Mein Verhältnis zu Jürgen Klinsmann war immer anders, als der Öffentlichkeit bekannt«, klärte er auf. »Wir haben regelmäßig telefoniert. Schon als er damals als Spieler des VfB Stuttgart zu Inter Mailand wechseln wollte, kam er nach München und bat mich, mit ihm den komplizierten Vertrag durchzugehen. Ich war nach der WM einer der Ersten, die Jürgen informiert hat, dass er aufhört. Seither ist der Kontakt nie abgerissen.« Gegen den Bundestrainer Klinsmann sei er nie gewesen. »Es gab einen Punkt, da waren wir unterschiedlicher Auffassung: Das war die Frage, ob er weiter von Kalifornien aus arbeiten sollte. Aber gegen alle, die sich schon Gedanken über seine Ablösung machten oder gar dafür bereithielten, habe ich und hätte ich Jürgen mit aller Macht verteidigt.«
Hoeneß schien keinerlei Schwierigkeiten zu haben mit seiner Kehrtwende. »Ich habe meine Maßnahmen immer der Situation angepasst«, meinte er, »jetzt bin ich der Meinung, es ist Zeit« – egal, was da in der Vergangenheit gewesen sei. Klinsmann bringe frischen Schwung, und es sei eben »der Reiz des Neuen, der uns so reizt«. Alle strahlten sie beim FC Bayern, der Vorstandschef Rummenigge als größter Klinsmann-Befürworter ganz besonders, Beckenbauer fand alles toll, aber auch Hoeneß ließ sich vom Begeisterungstaumel um diese dauerlächelnde Inkarnation des Optimismus mitreißen. Alle waren sie begeistert von Klinsmanns Zielen – jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen, Beschleunigung des Bayern-Spiels um 1,1 Sekunden pro Ballkontaktzeit –, begeistert von Klinsmanns Professionalität – elf Helfer, darunter vier Fitnesstrainer und ein Sportpsychologe, unterstützten ihn –, begeistert von Klinsmanns Denkhorizont – »Think big!«. Flugs machte man ein paar Millionen locker, um an der Säbener Straße ein neues Leistungszentrum einzurichten mit Hightech-Fitnessräumen, Wellnessecken und
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