Das Programm
auf.«
Ian sah sich in dem prunkvollen Speisesaal des George V. um. Normalerweise hätte er ein Frühstück in dieser eindrucksvollen Umgebung genossen – der internationale Investmentbanker, der sich im passenden Rahmen mit seinesgleichen trifft. Aber nicht an diesem Morgen. Heute hätte er einen starken Kaffee und eine Zigarette in einem Bistro brauchen können. Aber an so etwas war mit Eric natürlich nicht zu denken.
Seit einem Tag drückte er sich jetzt in Paris herum. In dem Augenblick, da sein Taxi in den Périphérique eingebogen war, hatte es angefangen zu regnen und seither nicht wieder aufgehört. Er hatte endlos gebraucht, um am Samstagabend ein Hotelzimmer zu finden. Ständig musste er lärmenden Engländern in roten Strickjacken ausweichen, die angereist waren, um ihr Land in einem Rugbyspiel anzufeuern. Schließlich bekam er ein Zimmer in einem schäbigen Hotel in der Nähe der Gare du Nord, brachte sein Gepäck nach oben, lief ein bisschen im Regen herum und schaute sich in einem Kino auf den Champs-Elysees einen schlechten amerikanischen Film auf Französisch an.
Es fühlte sich elend. Zu viel Alkohol am Abend zuvor. Und zu viel Koks. Eine Zeit lang hatte es geholfen. Aber jetzt fühlte er sich beschissen. Er zündete sich eine Zigarette an. Das tat gut!
»Hallo, Ian, schön dich zu sehen.«
Ian hatte nicht bemerkt, dass Eric hereingekommen war. Der sah ekelhaft strahlend und gut gelaunt aus mit seinem weißen Hemd und dem Schlips, der so akkurat gebunden war, dass er direkt aus seinem Hals zu kommen schien. Ian unterdrückte den Impuls, daran zu ziehen, gab stattdessen ein Grunzen von sich und übersah Erics ausgestreckte Hand. Trotz der Umgebung handelte es sich nicht um ein geschäftliches Treffen, und er hatte keine Lust, so zu tun, als wär es eins.
»Bin mit anderthalb Stunden Verspätung auf Charles de Gaulle gelandet, aber es war kein Verkehr auf dem Weg in die Stadt. Hast du schon bestellt?«
Ian schüttelte den Kopf. Eric fing den fragenden Blick eines Kellners auf und bestellte Croissants und Kaffee.
»Wie geht’s?«, fragte Eric.
»Beschissen«, erwiderte Ian.
»Du siehst auch nicht gut aus.« Aufmerksam blickte Eric ihn an. Ian wich seinem Blick aus. »Hast du was genommen?«
»Gestern«, antwortete Ian nach kurzem Zögern. Er musste sich nicht die Mühe machen, Eric anzulügen.
»Ist das klug? Ich glaube, im Augenblick können wir alle einen klaren Kopf gebrauchen.«
»Ob du das klug findest oder nicht, ist mir scheißegal«, fuhr Ian ihn an. »Ich tu, wozu ich Lust hab, kapiert? Du scheinst zu vergessen, dass du früher selbst genug von dem Zeug genommen hast. Damit hast du uns schließlich in die Scheiße geritten.«
»Das ist lange her. Ich hab das Zeug seit zehn Jahren nicht angerührt«, sagte Eric.
»Da haben wir ja einen richtigen kleinen Heiligen«, sagte Ian. »Ich hab seit zehn Jahren keinen mehr umgebracht. Ich hab überhaupt noch nie jemanden umgebracht.«
»Sprich leise«, sagte Eric ruhig und mit freundlichem Lächeln.
»Warum zum Teufel musstest du Lenka überhaupt umbringen?«, fragte Ian, diesmal etwas leiser.
»Ich hatte keine Wahl. Sie hätte darüber geredet. Erst mit Marcus Lubron, dann mit anderen. Du kennst sie. Es gab keinen anderen Weg, sie zum Schweigen zu bringen.«
»Aber jetzt ist Chris dir auf der Spur. Und deine ehemalige Freundin Megan. Und dann Duncan. Die ganze Sache läuft dir aus dem Ruder.«
»Nicht unbedingt«, sagte Eric ruhig. »Ich bin gerade dabei, sie wieder in den Griff zu bekommen. Und denk dran, hättest du Lenka nicht von Alex erzählt, wäre das Ganze nicht passiert.«
Ian seufzte. In seinem Kopf pochte ein hartnäckiger Schmerz. Er schloss die Augen. Eric hatte Recht. Ian dachte an die Nacht, als er die Lawine losgetreten hatte. Es war sehr spät. Sie waren in Lenkas Wohnung und hatten gerade miteinander geschlafen. Richtig guter Sex war es gewesen. Lenka erzählte, dass sie an diesem Tage Marcus getroffen hatte. Ian war ein bisschen müde, ein bisschen high; sein Gehirn arbeitete nicht richtig. Er hatte gelächelt und gesagt, das Komische daran sei, dass Duncan gar nicht an Alex’ Tod schuld sei. Plötzlich war Lenka hellwach gewesen und wollte wissen, was das zu bedeuten habe. Ian versuchte so zu tun, als habe die Bemerkung gar nichts zu bedeuten, aber sie glaubte ihm nicht. Als sie ihm zusetzte und ihn mit Fragen bombardierte, gab er seinen Widerstand bald auf. Seit Jahren hatte er den Drang, es jemandem zu
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