Das Programm
Amerikaner, der sie letzte Woche im Büro aufgesucht hat. Offenbar hat sich Lenka ziemlich über ihn aufgeregt. Aber ich habe keine Ahnung, wer er ist.«
»Ich leider auch nicht.«
Chris blickte nachdenklich in sein Glas. »Irgendwas geht da vor«, sagte er. Er blickte auf Megans Glas. Es war fast leer. »Komm«, sagte er. »Lass uns gehen und die Sachen aus ihrer Wohnung holen.«
Lenka hatte in Onslow Gardens im ersten Stock eines eleganten Stuckgebäudes gewohnt, dessen Eingang von zwei Säulen eingefasst wurde. Die tschechische Polizei hatte die Schlüssel in der Handtasche gefunden, und ihre Eltern hatten Chris gebeten, ihre Sachen durchzusehen und ihnen alle persönlichen Dinge zu schicken. Da wartete eine Menge Arbeit auf Megan und ihn. Chris hoffte auf die Hilfe eines freundlichen Nachbarn.
Als Megan und er das Gebäude betraten, fanden sie auf dem Fensterbrett im Treppenhaus einen säuberlich aufgeschichteten Stapel Post für Lenka. Chris nahm ihn mit nach oben. Als sie die Wohnungstür öffneten, hatten sie den Eindruck, sie sei höchstens einen Tag, nicht eine Woche fort. Die Heizung war noch an, und die Wohnung war unordentlich, aber kein Saustall. Ihr Bett war gemacht. Es gab eine Notiz von »Adriana« an Miss Lenka, in der es hieß, sie bekomme am Mittwoch zwanzig Pfund. Offenbar die Zugehfrau. Die Möbel waren eine bunte Mischung, Stücke, die sie in aller Welt zusammengekauft hatte. Sie bildeten ein fröhliches Multikulti-Durcheinander mit ein paar Highlights, etwa den fünfzig Zentimeter hohen, handgeschnitzten Elefanten aus Afrika und einem großen Tisch aus Asien mit kunstvollen Intarsien.
Und dann die Kleider. Unabsehbare Mengen in Schränken, Schubladen, begehbaren Kleiderschränken, Truhen. Viele Jahresbonusse von Bloomfield Weiss waren in die Modeindustrien aller Herren Länder geflossen. Nicht zu vergessen die Schuhe. Es mussten mehrere Hundert Paar sein. Ein imposanter Anblick.
»Dagegen sieht mein Kleiderschrank ja wie ein Secondhandshop aus«, sagte Megan.
Chris ging zu ihrem Schreibtisch, der in einer Art Arbeitszimmer gleich neben dem Wohnzimmer stand. Es handelte sich um ein ausladendes Kiefermöbel, auf dem sich Papiere und ein Computer befanden. Chris gab sich einen Ruck. Es half nichts, er musste sich durch diese Stapel hindurcharbeiten. Es war ihm äußerst unangenehm. Allein Lenkas Wohnung zu betreten, war ihm wie eine Art Indiskretion, wie ein Vertrauensbruch erschienen, gar nicht zu reden vom Beglotzen ihrer umfangreichen Kleidersammlung. Aber nun noch ihre Papiere durchsehen? Gar zu gerne hätte er sie gelassen, wie sie waren, unberührt.
Aber irgendetwas musste damit geschehen. Auch in der Tschechei gab es sowas wie Erbschaftsrecht. Jemand musste ihren Nachlass ordnen. Möglicherweise hatte sie dort irgendwo ein Testament hinterlegt. Es würde Rechnungen, Kreditkarten, Kontoauszüge geben. Chris war mutlos. Am besten tat er alles in eine große Kiste und schickte es den Eltern.
»Würdest du mir dabei helfen?«, fragte Chris.
»Okay«, sagte Megan. »Ich ordne die Papiere in verschiedene Stapel, und du liest sie.«
So arbeiteten sie zwei Stunden lang und wurden immer deprimierter. Sie fanden kein Testament und keine Unterlagen für irgendwelche Investitionen, aber es gab ein beträchtliches Guthaben auf einem Girokonto einer amerikanischen Geschäftsbank. Wie viele Investmentbanker stritt sie bei der Arbeit mit Zähnen und Klauen um Hundertstel eines Basispunktes, ließ aber hunderttausend Pfund ihres eigenen Geldes auf einem Konto mit einer lächerlichen Zinsrate versauern.
Um zehn streckte sich Chris: »Lass uns aufhören! Wir schaffen es doch nicht. Ich schreibe den Eltern und teile ihnen mit, was wir bisher gefunden haben. Mit dem Rest sollen sie einen Nachlassverwalter beauftragen.«
»Meinst du nicht, dass wir wenigstens da noch einen Blick hineinwerfen sollten«, sagte Megan, und nickte in Richtung Computer.
»Aber das ist ihre Privatsphäre«, sagte Chris.
»Und was glaubst du, was das hier ist?«, fragte Megan und zeigte auf die Papiere, die sie säuberlich aufgestapelt hatten.
»Na ja, du hast wohl Recht. Also los, werfen wir einen Blick hinein.«
Megan fuhr den Rechner hoch. Kundig ging sie die Verzeichnisse durch. Es gab nicht viel. Einige Textdokumente, viele auf Tschechisch. Keine andere Software, keine Spiele, kein Programm zur Verwaltung der persönlichen Finanzen, nichts von Interesse. Aber das Gerät hatte Internetzugang.
»Schauen wir uns die
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